Blutiger Spessart
die Augenbrauen in die Höhe und ging ein Stück in die Rückegasse. Dann blieb sie stehen und lauschte. Meistens konnte man Benno atmen hören, wenn er irgendwo im Boden wühlte. Durch die kurzen Nasen atmen Möpse in Erregung immer ziemlich laut.
Wie erwartet konnte sie ihn ein Stück entfernt unter den Fichten schnaufen hören.
»Jetzt komm schon«, rief sie, »wir wollen weiter.« Aber offensichtlich war das nicht das, was Benno wollte, denn er kam nicht.
Ich muss dem Burschen wieder einmal die Leviten lesen, dachte die Frau leicht angesäuert und bewegte sich auf ihren Hund zu. Als sie bei ihm war, stieß sie einen ekelerfüllten Schrei aus.
»Benno, pfui!«
Schnell griff sie nach dem Halsband des Rüden und zog ihn von dem schrecklichen Ding weg, das er gerade mit großer Begeisterung aus dem Waldboden ausgegraben hatte. Als sie erkannte, um was es sich handelte, verzog sie angewidert das Gesicht. Es handelte sich eindeutig um eine in Verwesung übergegangene menschliche Hand. Der Gestank war wirklich grenzwertig. Vereinzelt waren Maden zu sehen. Das Makaberste aber war, dass am Ringfinger noch ein Siegelring steckte. Birgit Michels konzentrierte sich sehr, dass sie sich nicht übergeben musste. Sie fasste ihren widerstrebenden Hund am Halsband und zerrte ihn hinunter auf den Waldweg, dann zog sie ihr Handy aus der Hosentasche und wählte die Notrufnummer.
Es dauerte eine gute Stunde, bis die Polizeistreife aus Lohr die Joggerin im Wald gefunden hatte. Die beiden Beamten begutachteten die Hand, dann verständigten sie über Funk die Kriminalpolizei. Nachdem alles, was im Bereich des Landkreises Main-Spessart mit Mord und Totschlag zusammenhing, auch der Sonderkommission
Spessartblues
mitgeteilt werden musste, verständigte die Einsatzzentrale Kommissar Brunner. Der erklärte sofort, dass er die Sache übernehmen würde, und machte sich auf den Weg.
Die Streifenbeamten nahmen die Personalien von Birgit Michels auf und entließen sie dann. Sie würden sie später aufsuchen, damit sie ihre Aussage auch schriftlich machen konnte. Die gute Frau musste sich erst einmal erholen.
Gute neunzig Minuten später rollte Brunners Dienstwagen über den Waldweg. Die Streifenbesatzung hatte ihn eingewiesen. In seinem Schlepptau kam die Spurensicherung, die sofort, nachdem sich Brunner die Hand angesehen hatte, mit der Arbeit begann. Es dauerte nicht lange, dann wurde Brunner von einem der Beamten gerufen. Ein Stück von der Hand entfernt lag im Wald ein zerfetztes Kleidungsstück, das Spuren von Blut aufwies. Die Männer suchten das gesamte Umfeld ab und fanden noch weitere Kleiderfetzen, teilweise massiv mit eingetrocknetem Blut getränkt. Brunner spürte, dass er hier einem spektakulären Fund auf der Spur war. Mit mehreren Männern drang er tiefer in die Dickung ein. Etwa hundert Meter von der Hand entfernt entdeckten sie dann die dazugehörende Leiche bzw. das, was von ihr übrig war. Teilweise hingen noch Kleiderfetzen an ihr. Der Körper war massiv angefressen, das Gesicht von der Verwesung und vom Tierfraß kaum kenntlich.
»Sieht so aus, als wäre hier jemand entsorgt worden«, kommentierte einer der Spurensicherer die Auffindesituation des Toten. »Da werden wir einige Arbeit haben, bis wir alle Spuren aufgenommen haben. Zunächst brauchen wir hier aber mal Licht.« Er gab einem seiner Kollegen den Auftrag, eine tragbare Lampe mit Stativ zu besorgen. Sie mussten ja sowieso noch warten, bis der Pathologe aus der Rechtsmedizin den Leichnam untersucht hatte.
»Könnt ihr ihm vielleicht zuerst mal die Fingerabdrücke abnehmen?«, bat Brunner, »dann kann ich sie schon mal durch den Computer jagen.«
Eine halbe Stunde später fuhr er mit den gesicherten Fingerabdrücken zurück nach Würzburg. Einige Fingerkuppen des Toten waren nicht mehr zu gebrauchen, aber zwei Abdrücke waren noch gut. Er übergab sie den Experten, die sich sofort an die Arbeit machten.
Eine dreiviertel Stunde später hatte Brunner ein Ergebnis auf dem Schreibtisch liegen. Bei dem Toten handelte es sich ohne Zweifel um Ricardo Emolino. Brunner hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit. Er griff zum Telefon und bat Monika Rettig zu sich. Wortlos legte er ihr das Untersuchungsergebnis hin.
Erstaunt riss sie die Augen auf.
»Wie ist denn das passiert? Wenn das der alte Emolino erfährt, läuft er Amok! Man kann diesen Mafiosi nachsagen, was man will, aber ihre Kinder vergöttern sie.«
»Der ist ja im Ausland. Wir werden seinen Consigliere
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