Blutiger Spessart
passierte die Schleuse.
Der gesuchte Sitzungssaal befand sich nur zwei Treppen höher. Im Wartebereich saßen zwei Männer, vermutlich Zeugen. Einer davon trug einen Kopfverband. Wahrscheinlich das Opfer des Angeklagten, dachte Brunner.
Der Kriminalbeamte setzte sich wortlos in eine Ecke und vertiefte sich in eine Zeitschrift, die dort auslag. Der Eingang des Gerichtssaals befand sich nur wenige Meter von ihm entfernt. Gelegentlich hörte man lautere Stimmen herausdringen. Er konnte Kerners Bariton identifizieren.
Die Zweifel, die ihn plagten, konnte er nur beseitigen, wenn er den Vorschlag des Technikers befolgte. Sollte Kerner wider Erwarten etwas mit der Sache zu tun haben, musste er die dann erforderlichen Ermittlungen an einen Kollegen abgeben. Er war viel zu sehr mit Kerner befreundet, um objektiv handeln zu können. Darüber war er sich im Klaren. Dies würde er aber erst dann tun, wenn ein Anfangsverdacht gegen Kerner wirklich begründet war.
Zwanzig Minuten später ging plötzlich die Tür des Verhandlungssaals auf, und ein Schwall Menschen kam heraus. Allen voran ein schwarzhaariger, älterer Mann, dicht gefolgt von einem Polizeibeamten. Offenbar der Angeklagte. Sofort zog er sich mit seinem Anwalt in eine ruhige Ecke zurück, um sich mit ihm zu besprechen. Aus dem Zuschauerraum kamen fünf Personen, die sich im Vorraum verteilten. Der Staatsanwalt, das konnte Brunner durch die Tür sehen, blieb an seinem Platz sitzen und vertiefte sich in seine Akten.
Kerner kam etwas später herausgeschlendert. Er sprach dabei mit einem Mann, der sich Notizen machte. Offensichtlich ein Pressevertreter.
Plötzlich erkannte Kerner Brunner. Er war sichtlich überrascht. Für einen Augenblick glaubte Brunner, in seinen Augen einen Anflug von Unruhe zu sehen, aber wahrscheinlich bildete er sich das nur ein.
Kerner beendete das Gespräch mit dem Pressemann und kam auf Brunner zu.
»Hallo, Eberhard, willst du sehen, ob ich mich als Richter auch nicht blamiere?«
Er schüttelte Brunner die Hand.
»Simon, kann ich dich mal für einen Moment unter vier Augen sprechen?«, fragte er, ohne auf Kerners Bemerkung einzugehen. Der Unterton in Brunners Stimme ließ Kerner aufhorchen. Innerlich verspannte er sich.
»Natürlich. Komm mit ins Beratungszimmer, dort sind wir ungestört. Allerdings habe ich nicht lange Zeit.« Er warf einen bezeichnenden Blick auf die herumstehenden Personen.
Brunner nickte und folgte Kerner in das Zimmer. Bis auf einen Schrank, einen Tisch und einige Stühle war der Raum unmöbliert.
»Also, was gibt’s so Eiliges, dass du eigens von Würzburg nach Gemünden fährst?«
»Simon, es ist mir unangenehm, aber es muss sein.« Brunner räusperte sich.
Kerner lehnte sich mit dem Rücken gegen das Fenster und wartete.
»Uns ist anonym eine Gewehrpatrone zugespielt worden, die vom Einsender in einer Nachricht zum Tod Ricardo Emolinos in Bezug gebracht wurde. Es handelt sich um eine Jagdpatrone im Kaliber .35 Whelen. Jetzt müssen wir alle Waffen dieses Kalibers überprüfen, ob diese Patrone daraus abgefeuert wurde. Ich habe beim Landratsamt nachgefragt, du bist der Einzige, der im Landkreis eine derartige Waffe besitzt. Kannst du mir bitte die Waffe aushändigen, damit die Kriminaltechnik eine Überprüfung durchführen kann?«
Auf Kerners Gesicht zeigte sich ein Anflug von Ärger.»Du willst doch damit nicht etwa sagen, dass du mich verdächtigst …«
Brunner wich einer konkreten Antwort aus.
»Mein Gott, Simon, ich bin eigens selbst hierhergefahren, um dir den Besuch einer Polizeistreife zu ersparen. Du kennst doch das Prozedere. Ich nehme die Waffe und ein paar Patronen mit. Dann wird damit geschossen, und die Zeichen, die dein Gewehr an der Patrone hinterlässt, werden mit den Spuren verglichen, die sich auf der uns zugeschickten Patrone befinden. Reine Routine. In ein paar Tagen hast du die Waffe wieder, und keiner hat es mitbekommen.«
Kerner gab keine weiteren Kommentare ab. Er stieß sich von Fenster weg und bewegte sich in Richtung Ausgang.
»Im Augenblick kann ich hier nicht weg. Ich denke, dass die Verhandlung in spätestens einer Stunde beendet ist. Wenn du dich so lange hier in Gemünden aufhalten willst, können wir danach zu mir nach Hause fahren, und du kannst das Gewehr mitnehmen.«
»Simon, ich danke dir für dein Verständnis. Wenn du nichts dagegen hast, setze ich mich in den Zuschauerraum und folge der Verhandlung.«
Kerner zuckte mit den Schultern und verließ wortlos das
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