Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
geboren. Um sie wieder aus seinem Körper zu vertreiben, brauchte es eine lange Zeit der Ruhe und des guten Essens. Haare fehlten ihm genauso wenig wie Zähne, und das Laufen lernten sie innerhalb der ersten Woche. Einzig und allein ihre Sprache war ähnlich wie die des menschlichen Nachwuchses, doch bei den Ogern wurde sie auch im Laufe der Jahre nicht wesentlich verständlicher, nur wohlüberlegter.
»Ich werde auch einmal ein Ogerkrieger«, platzte es aus dem größeren der beiden Kinder heraus. »Ich werde die schwarzen Elfen verhauen und dann alle meine Freunde aus Sandleg befreien.«
Die beiden waren wirklich klein, kleiner als Hagmu sie in Erinnerung hatte. Der eine maß gerade einmal zwei Fuß, der andere keinen Deut mehr als drei. Sie trugen beide genähte Lederkappen mit angeklebten Hörnern. Jemand hatte ihnen auf ihre Hemden ein Wappenzeichen gemalt, das der Darstellung eines Hundes sehr ähnlich kam. Voller Stolz präsentierten sie ihre grob geschnitzten Holzäxte.
»Ich bin Jorge, der Ogerkönig. Der Schrecken aller Orks, Trolle, Goblins und Kobolde«, versicherte der größere von ihnen.
»Oga«, wiederholte der kleinere und taumelte dabei etwas rückwärts.
Hagmu war sprachlos. Was redete der Junge? Warum wollte er Ogerkönig werden? Hatte ihm niemand gesagt, dass die Oger keinen König hatten? Er war ein Mensch, warum wollte er nicht König der Menschen werden?
»Oger nicht haben König«, grollte Hagmu und hoffte, dass es die Jungen zur Raison oder zum Weglaufen bringen würde, am besten aber beides.
»Noch nicht«, erwiderte das Kind störrisch. »Ich bin noch nicht groß genug, aber bald bin ich sieben, dann vielleicht, sagt Mutter.« Er hob die Holzaxt und richtete sie gen Himmel. »Jorge Ogerkönig und seine linke Hand Simon, der Trollschlächter.«
»Oga«, brabbelte Simon und freute sich.
Völlig außer Atem und mit Tränen in den Augen, hetzte eine Frau herbei. Sie war furchtsamer als die Kinder. Auf halber Strecke blieb sie stehen und kniete sich zu Boden. Mit ausgestreckten Armen versuchte sie, die Kinder zu sich zu locken.
»Simon, Jorge, kommt sofort her. Das sind nicht die Oger aus Großmutters Geschichten.« Ihre Stimme klang flehend.
»Oga.«
Hagmu wünschte sich zurück in die Zwergenesse. Welche Schmach hatte man ihm wohl noch zugedacht. Der lange Weg für nichts und wieder nichts. Ein Heer, das nicht bereit war zu kämpfen. Ein Wald, der über ihren Köpfen in Flammen aufging. Eine Stadt, leergefegt wie eine Gruft, und jetzt ein Kind, das sein König werden wollte.
Fast kriechend bewegte sich die Frau auf die beiden Kinder zu und streckte ihnen die Hand entgegen. Tränen rannen über ihr Gesicht.
»Seht ihr, was ihr aus den Menschen gemacht habt?«, keifte die erstickte Stimme eines alten Mannes über den Platz.
Hagmu sah auf. Der Nebel umhüllte eine Gestalt vor den Häusern im Westen. Wie ein Geist sah sie aus mit ihrer langen weißen Robe und dem schulterlangen grauen Haar, gestützt auf einen knorrigen Stab.
Bralba tauchte neben Hagmu auf und legte ihre Hand auf den Speer. Doch Hagmu hielt sie zurück.
»Oga Mamma«, rief Simon vor ihr entzückt auf.
Die beiden Jungen standen immer noch wie angewurzelt vor dem Trupp Oger. Ihre Mutter saß da und hielt sich die Hände vor das Gesicht. Leise hörte man sie ein Gebet zu ihrem Gott Prios sprechen.
»Ihr vergiftet unseren Glauben«, rief der alte Mann. »An dem Tag, an dem wir uns mit euch verbündet haben, zerbrach das Gefüge der Götter. Gut ist gut, und böse ist böse. Wenn wir die nicht mehr unterscheiden können, können wir uns nicht mehr schützen vor dem, was wir einst gefürchtet haben. Es ist kein Wunder, dass sich die Götter von uns abgewandt haben, wenn kleine Kinder danach streben, die Könige des Bösen zu werden.«
»Oger nicht böse«, brüllte Hagmu und zeigte auf sein Auge. »Hüttenbauer voller Bosheit.«
Diesmal hatte Hagmu es geschafft, den Kindern Angst einzuflößen. Der kleine Simon fing sofort an zu weinen, und Jorge duckte sich schützend unter seine Axt.
»Eure Sicht der Dinge interessiert mich nicht«, sagte der Alte. Seine Stimme klang ruhig und überheblich. »Prios hat mich, den Hohepriester Ochmalat, ausgewählt, die Fronten neu zu klären. In diesem Land ist kein Platz für euch und wahrscheinlich auch in keinem anderen. Der Glaube braucht euch nicht in Fleisch und Blut. Er muss die Kreaturen Tabals nicht sprechen hören, damit ihr mit gespaltenen Schlangenzungen Gift in
Weitere Kostenlose Bücher