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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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sie regungslos und beobachteten das Grasland vor sich.
    »Vielleicht eine Händlerkarawane?«, gab Cindiel zu bedenken. »Ich werde mal sehen, was los ist.« Mit diesen Worten schwang sie sich vom Pferd und lief hinüber zu Mogda und Gnunt. Noch immer hatte sie die Kluft des Stallburschen an.
    Mogda nahm keine Notiz von ihr, als sie näher kam. Gnunt allerdings warf ihr ein Lächeln zu, auch wenn es seine Wirkung verfehlte.
    »Was ist los?«, flüsterte sie.
    »Mogda und Gnunt warten auf andere Feit«, erklärte ihr der tumbe Riese.
    Cindiel runzelte die Stirn. »Wie lange? Welche andere Zeit?«
    »Sechzig Jahre«, gab Mogda barsch zurück. »Dann ist das Grünzeug auf der Wiese so hoch, dass wir ungesehen nach Sandleg gelangen können - oder wir gehen, wenn es dunkel ist. Hast du dich der einfachen Sprache schon so weit abgewandt, dass du einen normalen Oger nicht mehr verstehst, wenn er mit dir spricht?«
    Mogda war wirklich gereizt. Um Gnunt wegen seiner schwer verständlichen Aussprache nicht zu kränken, zog Cindiel es vor, die Frage offen zu lassen.
    »Wie wollt ihr nach Sandleg reinkommen?«
    »Wie immer«, brummte Mogda. »Da es jedes Mal andere Schwachköpfe sind, die wir dort überrumpeln, reicht es, einen einzigen Weg zu haben. Anscheinend haben die Stadtväter aus ihren Fehlern nicht gelernt.«
    »Das soll sogar bei anderen Rassen vorkommen«, entgegnete Cindiel schnippisch.
    Sie wusste, welchen Weg Mogda meinte. Die Stadtmauer zog sich nicht weit genug ins Hafenbecken hinein. Ein Oger konnte, ohne schwimmen zu müssen, die Mauer umgehen und landete dann am Pier. Das Schlupfloch war nicht groß genug, um eine ganze feindliche Armee in die Stadt zu bringen, die ohnehin nicht aufgehalten werden konnte, aber es reichte auf jeden Fall für vier Reisende.
    Cindiel hoffte, dass es noch nicht zu spät war. Ein fahrender Händler hatte ihr und Hagrim erzählt, während Gnunt und Mogda sich abseits des Weges versteckt hielten, dass die Oger in Sandleg eingefallen waren und sich dort im Hafenviertel verschanzt hielten. Angeblich hatten sie Frauen und Kinder in ihrer Gewalt und drohten, diese zu töten. Cindiel kannte nur eine Hand voll dieser riesenhaften Krieger. Keiner davon wäre zu so einer Schandtat fähig, aber für die übrigen würde sie ihre Hand nicht ins Feuer legen. So viele Jahre war es noch nicht her, dass die Oger wilde Kriegsbestien gewesen waren. Wer konnte schon wissen, ob es einige von ihnen nicht noch immer waren.
    Der Tag neigte sich seinem Ende entgegen. Lange Schatten zogen über die Steppe. Fast schien es, als ob sie vor der Dunkelheit flüchten wollten. Mogda und Gnunt hockten noch immer im Schutz der Bäume und beobachteten das freie Tal, das sich bis hinunter nach Sandleg zog.
    »Wir sollten nicht noch mehr Zeit verlieren«, rief Cindiel den beiden Ogern zu.
    Hagrim und sie lagerten etwas weiter zurück. Der schroffe Tonfall, den Mogda an den Tag legte, und die Scheu ihres Pferdes hatten sie einen Platz etwas abseits wählen lassen. Mogda hatte ihnen sogar verboten, ein Feuer zu entzünden, obwohl es elendig kalt war. Um nicht noch mehr Feindseligkeit aufkommen zu lassen, hatten sie sich daran gehalten. Cindiel sorgte stattdessen mit einem Zauber dafür, dass sie nicht frieren mussten - sie und Hagrim.
    »Wir verlieren keine Zeit«, gab Mogda barsch zurück. »Wenn sie sich dazu entschlossen haben, aufeinander loszugehen, können wir auch nichts mehr ausrichten. Dann hat es sicherlich auch schon ein Ende gefunden. Wenn nicht, kann es ewig dauern, bis sich irgendetwas tut. Oger sind sehr ausdauernd, was Belagerungen betrifft, und diese selbst ernannte Armee von Bauern und Händlern scheint mir nicht gerade vor Tatendrang zu strotzen.«
    Das erste Mal seit ihrem Aufbruch hörte Cindiel etwas in seiner Stimme, dass sie glauben ließ, er wolle eine friedliche Lösung für den Disput zwischen Menschen und Ogern finden. Sie betete dafür, dass auch die Menschen dies wollten. Eines jedoch war gleich geblieben. Die ganzen Jahre über schien Mogda sich jedes Mal über den Klang seiner eigenen Stimme zu erschrecken. Immer noch hatte er sich nicht damit abfinden können, »der schlaue Oger« zu sein, der er war. Sie konnte in seinem Gesicht sehen, wie er sich fragte, wohin er gehörte und was seine Bestimmung war.
    Irgendwann hatten die Schatten den Kampf gegen die Dunkelheit verloren, und die Steppe vor ihnen lag von der Nacht verhüllt. Mogda machte nicht viele Worte, als sie zum letzten Teil

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