Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
hatte mal zu ihm gesagt, man schwängerte die Braut nicht, bevor nicht die letzten Hochzeitsgäste nach Hause gegangen waren. Mogda hatte sich der Sinn dieser Regel nie richtig erschlossen, doch er glaubte zu wissen, was der alte Bauer damit sagen wollte. Bei den Ogern sagte man dazu: »Geplündert wird erst, wenn der letzte Feind am Boden liegt.« Genauso wollte Mogda es jetzt halten.
»Nein«, antwortete er nicht minder laut und mit ebenso viel Theatralik in der Stimme.
Sofort legten Glatze und Backenbart die Hände an ihre Waffen. Ochmalat stieß ein verneinendes Brummen aus, mit dem er seine beiden Bluthunde zurückrief. Backenbart beobachtete jede Bewegung von Mogda ganz genau und versuchte zu erahnen, was der Oger vorhatte. Glatze hatte immer noch damit zu tun, zu begreifen, warum er nicht auf den Oger eindreschen durfte, und legte den Kopf schräg. Mogda hielt sich weiterhin an seiner Standarte fest.
»Du hast das Zeichen eurer Aufgabe gehisst. Was willst du?«
»Oger nicht sehen Augen und Ohren von Gott Prios«, erklärte Mogda. Er fand es geschickter, sich als dümmer auszugeben, als er war. Ochmalat würde sich sicherer fühlen, wenn er dachte, dass Glatze nicht der dümmste in diesem Kriegsrat war, und auch Glatze würde sich besser fühlen, vorausgesetzt, er verstand überhaupt, was hier vor sich ging.
»Habt ihr das gehört, Kinder des Prios?«, rief der Hohepriester aus. »Tabals Kreatur kann den Gott nicht erkennen, dem er sich ergeben will. Kinder des Prios, was antworten wir ihm?«
Die umherstehenden Menschen antworteten wie mit einer Stimme. Selbst Glatze versuchte, bei dem Sprechchor mitzumachen, musste jedoch nach wenigen Worten aufgeben. »Durch seine Kinder sieht und hört Prios alles, was auf dieser Welt geschieht. Prios' Willen verkünden seine Priester.«
Das passt ja, dachte Mogda. Tausend Stumme, und einer sagt, wo es langgeht. Wenn man Auseinandersetzungen vermeiden wollte, gab es keinen besseren Weg. Der einzige Unterschied zwischen diesem Mann und den Nesselschrecken war, dass der Hohepriester nicht so hässlich aussah.
»Oger wollen verlassen Land«, sagte Mogda. »Gott von Oger nicht mehr hier. Dies nicht mehr Land von Oger.« Mogda ahnte, dass Ochmalat diese Worte gefallen würden, doch war es nicht ganz das, was er brauchte. Ein früher Sieg würde den Menschen Mut machen, weiterzukämpfen. Der Hohepriester hatte bisher so gut wie kaum einen Mann verloren - das würde noch mehr Gläubige herbeilocken und zusätzlich noch einmal viele hundert Söldner, die hofften, eine schnelle Münze machen zu können.
Alles dies würde einen Krieg gegen die Kreaturen Tabals zwar noch einfacher machen, doch es festigte die Machtstellung des Hohepriesters nicht. Der Krieg gegen Oger, Trolle und Orks diente nicht dem Frieden - Frieden, den es bereits gegeben hatte. Dieser Krieg sollte die Priester an die Macht bringen. König, Lords und Ritter herrschten über das Land, doch nur, solange die Bevölkerung ihnen als Heer zur Seite stand. Wenn die Priester es schafften, einen Krieg zu schlagen, den die Truppen des Königs jahrelang vergebens geführt hatten, gehörte ihnen das Volk.
Ein Sieger war aber nur der, der es schaffte, seinen Feind zur Aufgabe zu zwingen. Ein Feind, der sich selbst entschloss, aus dem Gefecht zu gehen, war kein Feind. Ochmalat musste seine Macht demonstrieren. Er brauchte zwar die Menschen, die für ihn kämpften, aber ebenso brauchte er einen Feind, der sich wehrte. Der Sieg musste allein ihm gebühren. Einen Triumph gewann man nicht mit Armeen, Schwertern und guter Taktik. Einen Triumph gewann man mit der Demonstration seiner Stärke. Solch ein Triumph war es, der Ochmalats Sieg vollkommen machen würde.
»Prios hört Eure Worte mit Freuden«, rief Ochmalat aus. »Er ist der Gott der Ordnung, der Gerechtigkeit, des Schutzes und des Friedens.«
Mogda wurde speiübel bei den Worten. Am liebsten hätte er gesagt: »Dann hat er aber viel zu tun. Wenn er jetzt noch das Wetter macht, können sich die anderen Götter zur Ruhe setzen.«
Der Hohepriester ließ ihm aber keinerlei Zeit, um überhaupt etwas einzuwenden. Er war so damit beschäftigt, sich und seinen Gott zu lobpreisen, dass seine Euphorie fast sichtbar wurde. Mogda ließ die Worte an sich vorübergleiten, ohne ihnen weiter Bedeutung beizumessen. Er befürchtete, er könne doch etwas mehr von dem Oger in sich zeigen, als im Moment hilfreich war. Erst als der Hohepriester auf seine wirkliche Forderung zu
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