Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
Seine Augen waren trübe und leer, sein Gesichtsausdruck immer noch euphorisch. Mogda riss den Fischhaken aus seinem Opfer und machte kehrt. Er hatte, weswegen er gekommen war. Er brauchte sich nicht am Tod des Priesters zu laben, und er wollte auch nicht die entsetzten Gesichter der Menschen sehen, denen er die Hoffnung genommen hatte, ein Zeichen ihres Gottes zu sehen. Es reichte, ihre Ausrufe des Entsetzens zu hören und ihr Flehen, während er die Barrikade erklomm.
Als Mogda das Hafenviertel betrat, ruhten alle Augen auf ihm. In der einen Hand hielt er den Stab des Hohepriesters, in der anderen den Fischhaken mit der blutverschmierten weißen Fahne. Niemand war empört, dass er die Gesetze des Krieges gebrochen hatte, indem er es gewagt hatte, unter der weißen Flagge zur Waffe zu greifen. Keiner regte sich auf, weil er drei Hüttenbauer erschlagen hatte, die ihm zwar nicht freundlich gesonnen, aber mit Respekt begegnet waren.
Jedoch wunderte sich jeder, dass er, Mogda, es gewesen war, der zu dieser Hinterlist gegriffen hatte. Die meisten sahen ihn als eine Art Vermittler zwischen den Völkern: Vom Aussehen her ein Oger, vom Verstand ein Mensch. Menschen wie Oger dachten, dass er zum Wohle beider Rassen handelte und keine bevorzugte. Sie vergaßen dabei, dass er auch ein Kind Tabals war, dem Gott des Chaos. Mogda unterwarf sich keinen Gesetzen oder Regeln. Er konnte tun und lassen, was er wollte, ohne dass sein Gott ihn dafür zur Rechenschaft zwang. Das Chaos war nicht berechenbar, und es handelte aus einer Laune heraus, genau wie er.
Erleichtert stellte Mogda fest, dass gerade in diesem Moment die Sturmwind an der Pier vertäut wurde. Kapitän Londor hatte sein Versprechen gehalten. Dies war nicht sonderlich überraschend, da Tastmar und Gnunt ihn sicherlich jede Minute der Nacht daran erinnert hatten, aber der alte Seebär war mit allen Wassern gewaschen. Wenn er wirklich gewollt hätte, wäre ihm ein Ausweg eingefallen.
Mogda hielt auf Hagmu und seine persönliche Leibgarde zu. Das Lachen und Scherzen auf seine Kosten war ihnen vergangen. Aber dennoch hatte keiner von ihnen ein Wort des Lobes für ihn übrig. Wahrscheinlich begriffen sie gar nicht, was Mogda für sie getan hatte, oder sie hatten gar nicht erst mitbekommen, was alles passiert wäre. Mogda riss das weiße Banner, getränkt mit dem roten Blut des Hohepriesters, von der Stange und warf es Hagmu vor die Brust.
»Jetzt siehst selbst du die Lawine«, sagte er. Wieder einmal waren die Worte, die Mogda gewählt hatte, gewagt, doch jetzt konnte er sie sich erlauben. Niemand würde sich mehr trauen, seinen Mut und seine Kampfbereitschaft infrage zu stellen, und wenn doch, würde Mogda einfach noch eine Kostprobe austeilen.
»Packt eure Sachen«, rief Mogda. »Wir gehen an Bord des Schiffes. Bis heute Nacht werden wir Nelbor verlassen haben.«
Noch vor einer Stunde hätte Hagmu ihn ausgelacht, und seine Männer wären nicht weniger zurückhaltend gewesen. Doch zum Lachen war Hagmu nicht mehr zu Mute. Der Kriegsoger hatte sich selbst durch seine Verhöhnungen in Mogdas Dienst gestellt, jenem Oger, der nur Geschichten erzählte. Doch Hagmu wollte sich nicht wehrlos ergeben.
»Oger nicht fahren mit Schiff über Meere. Oger niemals verlassen Nelbor.«
Mit einem Schritt war Mogda bei dem einäugigen Kriegsoger. Seine Hand packte Hagmus Hals und drückte gegen dessen Kehlkopf. Hagmu wäre bestimmt in der Lage gewesen, sich dem Griff zu entwinden, doch ihm stand der Schock in die Augen geschrieben.
»Du hast gesagt, du und deine Männer folgen mir, wenn ich die Armee verjage«, knurrte Mogda. »Steige auf die Barrikade und sieh ihnen zu, wie sie von dannen ziehen. Koste den Triumph aus, den ich dir gebracht habe, doch werde nicht wortbrüchig. Ich werde dich vor den Augen deiner Leute demütigen und hier zurücklassen. Glaube ja nicht, dass sie weiterhin zu dir stehen werden. Jeder Einzelne wird an Bord dieses Schiffes gehen. Du kannst dir überlegen, ob du uns folgst oder ob du auf die Rückkehr des Menschenheeres warten möchtest.«
Mogda stieß den Kriegsoger von sich. Hagmu griff sich an den Hals und rieb sich die Stelle, die vom Würgegriff ganz gerötet war. Plötzlich brach er in schallendes Gelächter aus. Mogda hatte mit vielerlei Reaktionen des Kriegsogers gerechnet, auch damit, dass Blut vergossen werden würde, doch dass er Hagmu mit irgendetwas erfreut haben könnte, war ihm nicht in den Sinn gekommen.
»Gehen Land von Barbaren«,
Weitere Kostenlose Bücher