Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
schon seit dem Abend des Vortages.
»Ihr könnt nicht mit dem Schiff abreisen«, erklärte Cindiel. »Ochmalat hat einen der Funken der Götter. Niemand weiß, welche Macht dieser Stein besitzt und wozu der Priester damit imstande ist.«
Mogda setzte sich neben die Hexe. Die Holzbohlen knarrten verächtlich, als er sich niederließ. Der Oger beugte sich nach vorn und blickte abschätzend ins Wasser.
»Ich habe Londor nicht ohne Grund erst zur Mittagszeit hierhergerufen«, sagte er mit sanfter Stimme. »Ich habe vorher noch etwas zu erledigen.«
»Was?«, fragte Cindiel. In ihrer Stimme klang so etwas wie Hoffnung mit.
»Ich muss mehrere Tonnen glühende Kohlen besorgen, sie an der Pier verteilen, rund tausend Spieße fertigmachen und Hagmu und seinen Trupp davon überzeugen, dass Menschenfleisch gut schmeckt. Ist das nicht ein prima Plan?«
Cindiel musste lachen. Es tat gut, sie wieder fröhlich zu sehen. Mogda spürte, wie der Druck auf ihr lastete. Götterlosigkeit, Kinderlosigkeit und der Rausschmiss aus der eigenen Stadt waren keine Dinge, die einen zu Jubelschreien verleiteten. Außerdem gab es noch etwas, das sie für ihn - nein, für alle - tun musste. Sobald sie auf See wären, würde er sie einweihen, noch war es zu früh.
»Ich werde alles richten«, sagte er. »Diesmal werde ich so lange nicht ruhen, bis sich mein Schicksal - und das aller anderen - endlich erfüllt hat. Ich bin es leid, mich als Spielball der Götter zu fühlen. Diesmal wird es enden, so oder so.«
»Du wirst doch keine Dummheiten machen, oder?« Cindiel war unsicher, was der Oger jetzt wieder ausgebrütete hatte. Seine Pläne waren meist genauso kühn wie verzwickt.
»Ich werde nichts tun, was nicht auch ein Oger mit weniger Verstand tun würde«, verriet er.
Die Antwort trug nicht gerade zu Cindiels Wohlbefinden bei, doch ließ sich Mogda ohnehin nicht von seinen Plänen abbringen. Wie er schon sagte, es war sein Schicksal, also sollte er es auch in die Hand nehmen.
In ein Tuch gewickelt, übergab er ihr das Runenschwert und den schwarzen Splitter.
»Pass gut darauf auf, ich hole es mir zur Mittagszeit wieder ab«, sagte Mogda und stand auf.
Cindiel umklammerte den Beutel und raffte das Tuch darum zusammen.
Hagmu saß mit sechs seiner Kameraden um ein wärmendes Feuer. Knisternd wurden glühende Funken mit der Hitze in die kühle Luft gehoben und regneten als Asche wieder zu Boden. Die Krieger ließen einen Sack mit geräuchertem Speck herumgehen, bedienten sich und kauten genüsslich.
Viele von ihnen hatten die Nacht und das Wohlwollen der Bürger dazu genutzt, ihre Ausrüstung zu komplettieren, so gut es ging. Einen Oger in der Rüstung eines Ritters hatte noch niemand gesehen, und keiner der tumben Krieger wäre bereit gewesen, solch eine zu tragen. Ihre Größe und Leibesfülle machten die meisten Rüstungsteile nutzlos.
Aus Kettenhemden wurden Glieder am Halsausschnitt herausgenommen, damit die Oger ihren Kopf hindurchstecken konnten. Angelegt spannten sie sich straff und hingen nur bis kurz unter die Brust. Die Ärmel wurden ganz entfernt und weggeworfen, oder Teile davon wurden als Handschutz verwendet. Helme und Kettenhandschuhe waren unbrauchbar für die Hünen. Einzig Schienbeinschutz und Schulterplatten konnte man aufbiegen, die Lederriemen darum verlängern und sie entsprechend verwenden.
Alles Übrige wurde von den Ogern je nach Waffenart, mit der sie kämpften, selbst hergestellt. Mit gehärtetem Leder wurde die eine oder andere Körperstelle ausgepolstert, die durch den Gebrauch der Waffe im Kampf ungeschützt blieb. Speerträger schützten den Bereich unter ihrem Waffenarm. Schwertkämpfer versahen ihre Rüstungsteile meist mit Dornen, die ihnen im Handgemenge hilfreich zur Seite standen, und Keulenschwinger polsterten ihre Oberschenkel ab, da ihre schweren Waffen zu langsam waren, um Schläge zu blocken.
Viele Jahre war es her, dass Mogda das letzte Mal so ein Sammelsurium an Waffen und Rüstungen gesehen hatte. Doch anstatt lächerlich oder tölpelhaft zu wirken, ließ es die Oger nur noch barbarischer aussehen. Mogda selbst trug seit Langem schon keine Rüstung mehr. Er mochte es, beweglich zu sein. Im Gebirge war jede Rüstung hinderlich, und jedes Pfund mehr machte die Kletterei zur Strapaze.
Mogda sah, wie die Oger miteinander tuschelten, als er näher kam. Hagmu brach in schallendes Gelächter aus und schlug sich vor Freude auf den Oberschenkel. Die anderen stimmten in das Gelächter ein.
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