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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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vergilbten Seiten, die nur noch durch wenige Fäden mit dem ledernen Umschlag verbunden waren. In das Leder war ein Bild eingebrannt, es zeigte zwei junge Frauen - die eine mit höfischer Kleidung auf einem Thron, die andere in Lumpen, an einen Baum gelehnt. Beide Male war es dieselbe Frau, als Prinzessin unglücklich, als Magd zufrieden mit dem, was sie hatte.
    »Die vertauschte Prinzessin«, sagte Cindiel erstaunt. »Du hast mir davon erzählt, als wir uns das erste Mal sahen, im Drachenhorst. Ich habe dir erklärt, dass es sich um ein Kinderbuch handle. Hast du es noch einmal gelesen?«
    Mogda schüttelte den Kopf. »Wie du schon gesagt hast, es ist ein Kinderbuch. Für Kinder muss alles einfach sein, und es muss immer gut ausgehen. Die Wirklichkeit ist aber nicht so. Man bekommt nicht immer das, was man will, das durfte ich bitter erlernen. Nur weil ich mir gewünscht habe, den Ogern ein besseres Leben zu bescheren, muss es noch lange nicht wahr werden. Und manchmal kann es sein, dass auch genau das Gegenteil eintritt von dem, was man erreichen wollte, und man alles einfach nur kaputtmacht.«
    Cindiel sah zu ihren Füßen hinab, zu den Planken, unter denen es wieder begonnen hatte zu hämmern. Dann sah sie sich an Deck um. Tebolf stand am Heck des Schiffes und bemühte sich gerade, die verschiedenen Flaggen vom Besanmast einzuholen. Seine Hände versuchten, die flatternden Fetzen im Wind zu greifen, und sobald er eine von ihnen hatte, knüllte er sie zusammen und zerrte an den Leinen. Korf saß auf dem Dach der Kombüse und leckte einen der Töpfe aus, die Keuchel ihm reichte, dann schlich er zur Reling, knotete ein Band um den Henkel des Topfes und ließ ihn an der Bordwand hinunter, um ihn abzuspülen.
    »Unsere Sicht ist getrübt«, sagte sie. »Genau wie ich nur das Elend und den Kummer sehe, die ich anderen bringe, so siehst du die Veränderungen bei deinem Volk nicht. Die Oger sind vielleicht noch nicht das geworden, was du dir wünschst, aber sie sind auf dem Wege dahin. Sieh dich um, vor Jahren haben sie noch unter Deck gehockt, grimmig und unberechenbar, nur darauf wartend, an Deck zu stürmen und ihre Waffen zu schwingen. Sieh sie dir jetzt an. Sie versuchen, sich einzubringen, lernen von anderen und passen sich an. Du hast Großes vollbracht, und du bist noch nicht am Ende.«
    »Noch nicht am Ende«, wiederholte Mogda flüsternd. Wie sollte dieses Ende wohl aussehen? Er zog mit ein paar Dutzend Ogern quer durch die Welt, schlachtete sich durch ein Heer von Barbaren, tötete Suul, was immer sie auch sein mochte, Frau, Königin oder Göttin, nahm sich das Artefakt und rief damit irgendwie die Götter zurück? Zum Dank würde Tabal ihnen dann ein Reich schenken, und die Oger lebten glücklich bis an ihr Lebensende. Über so eine Geschichte würden selbst Kinder den Kopf schütteln.
    Wie konnte er dann an all dies hier glauben? Es schien, als folge er nicht seinem Schicksal, sondern einem Kindermärchen. Doch egal, was er auch unternahm, der Strudel zog ihn mit sich - unaufhaltsam.
    »Die Prophezeiung«, sagte Cindiel leise und holte Mogda damit zurück aus seinen Gedanken. »Könnte es sein, dass es etwas mit den Ogern und den Artefakten Tabals zu tun hat, die Rator und die anderen Kriegsoger jahrelang gesucht haben?«
    »Ich weiß es nicht«, gestand Mogda. »Ich habe selbst schon daran gedacht, doch bis vor wenigen Tagen war ich der Überzeugung, dass diese Geschichte damals von den Meistern erfunden wurde, um die Oger an der kurzen Stange zu halten.«
    »Bei der Stange zu halten oder an der kurzen Leine zu führen, heißt es«, berichtigte ihn Cindiel. »Wenn ihr die Prophezeiungen vom Baum Mystraloon genauso gut wiedergebt wie unsere Sprichwörter, könnte es sein, dass die Götter erwachen, es Sand regnet, wir alle auf einer Wolke leben und Wasser atmen, während die Welt unter uns verglüht.«
    Mogda grinste. Die Vorstellung, auf einer Wolke zu sitzen, amüsierte ihn irgendwie. »Dann werde ich mich mal lieber wieder an die Arbeit im Laderaum machen, bevor die anderen noch Löcher in den Rumpf stemmen.«
    Er wollte gehen, doch Cindiel zog an seinem Ärmel. »Du wirst uns nicht mehr viel weiter mitnehmen. Unsere Wege werden sich bald für immer trennen, stimmt's?«, fragte sie mit trauriger Stimme.
    Mogda wusste nicht, wie sie das hatte ahnen können, doch es stimmte. »Du und Hagrim, ihr werdet heute Nacht das Schiff verlassen. Wir setzen euch am Durchbruch zum roten Sumpf ab. Ihr müsst den Funken

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