Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
Bärte lugten aus ihren Fellkapuzen hervor. Nur langsam holten die sechs Jollen wieder auf, bis ein Ruck die Sturmwind erschütterte. Ganze Bohlen brachen aus dem Rumpf und ächzten mit dem Geräusch von gefällten Bäumen. Mogda starrte über das Heck. Im eisigen Wasser trieben die herausgerissenen Bohlen, zum Teil hatten sie die Länge eines Ogers. Ihre schwarz kalfaterten Ränder ließen keinen Zweifel daran, dass es sich um Bruchstücke aus dem Schiffsrumpf handelte. Mogda sah zur Backbordseite hinüber. Ein breites Loch klaffte kurz über der Wasseroberfläche, und mit jeder Welle schwappte Salzwasser in den Laderaum der Sturmwind.
Ein Schmerzensschrei ließ Mogda herumfahren. Londor lag auf dem Deck vor seinem Steuerrad. Der hölzerne Stern drehte sich wie von Geisterhand so schnell, dass die Pinnen miteinander verschwammen. Dann gab es einen erneuten Ruck. Am Heck riss das Ruderblatt heraus, mitsamt dem Gestänge. Übrig blieb nur das Steuerrad am Achterdeck, das sich haltlos in der Verankerung drehte.
Londor war schnell wieder auf den Beinen. Er hielt sich den Arm.
»Versucht, die Lecks zu dichten«, brüllte er, »sonst werden wir volllaufen wie ein Schaf bei Hochwasser. Stopft Tuch oder Säcke in die Löcher, nagelt eine Tür davor oder macht sonst was, wenn ihr nicht ersaufen wollt.« Hektisch blickte sich Londor um und sah an dem beschädigten Besanmast hoch. »Mo, du und drei Oger, ihr müsst das Segel mit der Hand richten. Diese Aasgeier haben uns das Ruder herausgerissen. Wenn wir es nicht schaffen, das Schiff mit dem Hecksegel zu steuern, jedenfalls ein bisschen, werden wir auflaufen.« Mit suchenden Blicken überflog er das Gewusel an Deck. »Tinnert, lös die Ankerkette von Deck, bevor der Anker uns herumreißt und das Schiff volllaufen lässt. Wir müssen in Fahrt bleiben, sonst stürmen diese Barbaren die Sturmwind und weiden uns aus wie ein totes Tier.«
Sofort reagierte die Mannschaft, und auch die Oger stürmten durcheinander. Es hatte nicht den Eindruck, als wüssten sie genau, was zu tun war, aber nach wenigen Momenten waren die meisten von ihnen unter Deck verschwunden. Bralba und Purgol gesellten sich zu Mogda. Mordigwel war währenddessen damit beschäftigt, einige der Seile am Mast zu lösen.
»Achte auf meine Ruderbewegungen«, rief Londor seinem Steuermann zu. »Ihr müsst das Segel so umsetzen, dass der Wind das Heck herumdrückt, wenn wir Gefahr laufen, das Eis zu rammen. Ich weiß nicht, wie stark das Schiff reagiert, aber es wird nur minimal sein, deswegen müssen wir früh mit dem Gegensteuern beginnen.«
»Aye, Käpten«, gab Mo zurück. »Passt auf«, wandte er sich an Mogda und die anderen beiden Oger. »Ihr müsst versuchen mit den Seilen das Segel immer in die Richtung zu ziehen, die ich mit der Gaffel angebe.« Er stellte sich ans Ende des Decks und zog den querliegenden Mast mit einem Seil von einer Seite zur anderen. »Seht ihr, das ist ganz leicht.«
Mogda sah es, aber leicht schien es nicht zu sein. Die Gaffel war einfach zu bewegen, doch ein Segel herumzureißen, auf dem der Wind lag, war etwas ganz anderes. Zu dritt mussten sie das Tau halten, obwohl nur eine leichte Brise wehte. Wenn der Wind zunähme, würde er die Oger einfach mitreißen. Immer wenn das Segel die richtige Position eingenommen hatte, verzurrte Mogda das Ende an einer der Klüsen, damit sie neue Kraft schöpfen konnten, wenn Mo die Gaffel wendete.
Ein Enterhacken verkrallte sich hinter Mogda in der Heckreling. »Sie versuchen, an Deck zu kommen«, brüllte er.
»Feind am Entern!«, schrie Londor. »Alle Mann an Deck!«
Falls das der Plan der Barbaren gewesen war, hatte er funktioniert. Von allen Seiten flogen Enterhacken heran und verkanteten oder verkrallten sich im Holz. Schon zeigten sich die ersten Köpfe hinter der Reling, während die Männer unter Deck noch mit dem Leck kämpften. Tebolf und Marmu waren die Ersten, die sich an der Lücke zeigten und auf Deck stürmten.
Mogda sah die schweren Leiber der Fremden in ihren weiten Pelzumhängen an Bord klettern. Die Männer waren alt oder sahen zumindest so aus. Ihr Haar war ergraut und ihre Haut faltig. Die Ersten zogen ihre Bastardschwerter blank. Langsam füllte sich das Deck mit Barbaren und Ogern, die aufeinander losstürmten. Diesmal war es kein lautloser Kampf. Ächzen und Stöhnen sowie das Klirren von Schwertern und Äxten erfüllte die Luft.
Zwei der Barbaren tauchten plötzlich hinter Mogda auf. Bewaffnet mit kurzen Handbeilen,
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