Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
direktem Kurs nach Argaht sind. Wer auf noch mehr Zeichen der Götter wartet, verdient ihre Hilfe nicht. Das Schicksal findet immer einen Weg, um uns zu lenken, das habe ich schmerzhaft lernen müssen.«
»Und damit ich auch ein bisschen von dem Schmerz abbekomme, habt Ihr es Euch zur Lebensaufgabe gemacht, meine Schiffe zu versenken, stimmt's? Ich frage mich, was ich den Göttern getan habe, dass sie mich so strafen?«
Mogda kannte die Antwort nicht. Dieselbe Frage hatte er den Göttern auch schon gestellt - und keine Antwort erhalten. Doch er wollte Londor zumindest einen kleinen Vorgeschmack darauf geben, was die Götter antworten könnten.
»Nach den Geschichten, die man sich von Euch erzählt, würde ich meinen, Ihr seid zu einer von ihren Frauen ins Bett gestiegen.«
Londors schallendes Gelächter zog die Blicke aller auf ihn.
»Wenn das die Wahrheit ist, wäre es besser, die Götter schenkten mir kein neues Leben. Denn in meinem nächsten würde ich ihnen allen Hörner aufsetzen und mir eine Armee von Bastarden heranzüchten, um sie zu stürzen.«
Mogda fragte sich, wie jemand, der den Göttern so wenig Respekt entgegenbrachte, so alt werden konnte. Wenn ihre Strafe allein darin bestand, seine Schiffe zu versenken, waren sie gnädiger, als er es je vermutet hätte. Usil war stets ein gläubiger Mensch gewesen, und dennoch hatten die Götter ihm ein Schicksal auferlegt, das härter war als das der meisten.
Londor lachte noch immer, und beinahe wären Tinnerts zaghafte Rufe darin untergegangen.
»Boote! Da kommen Boote.«
Diesmal hielt es auch Londor nicht mehr auf dem Achterdeck. Zusammen mit Mogda drängte er sich durch die gaffende Menge von Menschen und Ogern. Wie Tannenzapfen auf einem halb zugefrorenen Teich wirkten die kleinen Boote, die auf sie zusteuerten. Es waren wirklich nur Boote. Keines von diesen Gefährten hätte sich Schiff nennen dürfen, ohne Gelächter bei einem wirklichen Seemann hervorzurufen. Mogda hatte Schwierigkeiten, sie zu zählen. Sie waren klein und drohten von dem weißen Flimmern der Luft verschluckt zu werden. Es mochten vielleicht fünf oder sechs sein, aber selbst wenn ein Dutzend Mann darauf Platz hatten, konnten sie keine wirkliche Bedrohung darstellen. Oger und Menschen zählten im Kampf nicht eins zu eins, versuchte sich Mogda einzureden.
»Wir sollten uns vorbereiten«, sagte Londor. »Sie werden uns nicht viel Zeit lassen. Vielleicht eine halbe Stunde, wenn wir Glück haben, auch eine ganze - dann werden sie uns erreicht haben.«
Mogda fehlte in Londors Stimme die Belustigung über die fremde Armada. Er tat fast so wie ein Heerführer, der zehntausend Mann in die Schlacht schickte. Sah er die Angreifer wirklich als Bedrohung an?
»Nicht jeder, der auf einem Boot im Wasser schwimmt, ist unser Feind«, gab Mogda zu bedenken. »Vielleicht sind es nur Fischer.«
»Ihr habt nicht zugehört, Herr Oger«, mahnte ihn Londor. »Die Barbaren haben keine Kriegsschiffe. Das, was Ihr dort kommen seht, ist ihre Flotte. Ich versichere Euch, sie würden uns sogar schwimmend und ohne Boote angreifen, wenn sie müssten. Und so seeuntüchtig, wie die Sturmwind momentan ist, könnte uns sogar ein Schwarm Makrelen versenken.«
Mogda wollte gar nicht wissen, was es mit diesen »Makrelen« auf sich hatte. Anscheinend gab es im Wasser mehr Untiere, als der Mut eines Ogers verkraften konnte. Egal was passiert, dachte Mogda, wir müssen es irgendwie schaffen, über Wasser zu bleiben.
Die kleinen Segelboote kamen näher. In halsbrecherischen Manövern kreuzten sie gegen den Wind, tauschten ihre Positionen und schienen danach zu ringen, in Führung zu gehen. Mit ihren grauen Segeln sahen sie aus wie ein Schwarm Fledermäuse. Jeder freie Fleck an den zwei kleinen Masten war bespickt mit Tuch, um jedes Lüftchen einzufangen und den Booten mehr Tempo zu verleihen. Von den Männern an Bord war nicht mehr zu sehen als ein Schatten. Manchmal zeigte sich ein Arm oder ein Oberkörper, wenn die Pinne umgelegt wurde oder der Mastbaum auf die andere Seite schwang. Tief geduckt hockten die Männer im offenen Rumpf der Boote und warteten darauf, in Reichweite der Bark zu kommen. Mit ihren fellbedeckten Leibern sahen sie aus wie eine Bärenfamilie, die sich zum Winterschlaf in ihrer Höhle verkroch.
Als die Boote in Reichweite der Sturmwind gelangten, nahmen die Barbaren die Segel aus dem Wind und reihten ihre Jollen hintereinander ein. In einer langen Linie hielten die kleinen Boote frontal auf
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