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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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konnten. Gegen wen hat dann die Armee so lange gekämpft?«
    »Es bleiben nur siebenhundertfünfzig Krieger«, berichtigte Londor.
    »Seht Ihr, noch mehr Kinder und Alte«, billigte Mogda ihm zu, ohne auf Londors Rechenergebnis weiter einzugehen. »Sie hätten uns Oger schicken sollen. Wir hätten für die paar Hütten keine zwei Tage gebraucht, und das Land wäre unser gewesen.«
    »Eure Geschichte macht auch nicht mehr Sinn«, wandte Londor ein. »Immerhin habt Ihr mein Schiff gekapert, seid mit sechzig Eurer Krieger an Bord gekommen und habt mir befohlen, in die Nordlande zu segeln. Jetzt seid Ihr hier und zweifelt Euer eigenes Tun an. Aber was soll's, wenn ich Euch richtig verstanden habe, dauert es ja nur zwei Tage und Ihr habt, was Ihr wollt.«
    Mogda knurrte verächtlich. Was wusste der alte Seebär schon davon, was er wollte - er wusste es schließlich nicht einmal selbst. Was den Krieg gegen die Nordlande anging, zweifelte Mogda nicht daran, dass es ein wüstes Gemetzel gegeben oder dass die Barbaren sich erbittert gewehrt hatten. Man hatte ihm immerhin schon eine Kostprobe von der Kampfkunst der Nordmänner geboten. Er wollte sich nur etwas Mut zusprechen, indem er seine Feinde klein und kraftlos erscheinen ließ. Was wusste Londor schon? Über die Schneewehe zu steigen und sich diesem verlassen aussehenden Dorf zu stellen bereitete ihm genauso viel Angst, als wenn er allein gegen Turmsteins Mauern hätte antreten müssen. Aber er hatte keine Angst vor dem, was er sah, er hatte Angst vor dem, was er nicht sah.
    Mogda zählte die Hütten, sofern dies möglich war. Der Erdwall, den die Stadt umgab, war an einigen Stellen abgerutscht, und zwischen Palisade und Wall klafften Löcher, durch die ein Mann leicht hindurchkrabbeln konnte. Außerdem hatten Kälte und Wind den Einpfählungen bereits schwer zugesetzt. Windschief und mit losen Pfählen präsentierte sich der Schutz des Dorfes. In erster Reihe hinter der sicherlich einst robusten Palisade befanden sich zehn Langhäuser, dahinter waren zwei weitere Reihen selbiger und einige einzeln stehende Gebäude sowie zwölf Wachtürme rund um die Stadt.
    Fast alles in Uthna war aus Holz oder Stein gebaut. Die sagenumwobene Küstenstadt der Barbaren hatte den Charme eines heruntergekommenen Bauerndorfes in Nelbor. Auf den ersten Blick hatten überhaupt nur noch zwei der Langhäuser ein intaktes Dach. Die anderen Dächer waren ganz oder teilweise eingestürzt. Wenn hier noch Menschen lebten, hockten sie entweder zusammengepfercht in einem der Häuser oder trugen wärmere Kleidung, als Mogda sie kannte. Von dem schweren Stadttor, das dem gigantischen Gatter eines Schweinepferches glich, war nur eine Hälfte übrig, die sich mit der äußeren Ecke in den Schnee gebohrt hatte. Die andere Hälfte, so schien es, lag davor und zeigte nicht mehr von sich als die Querstreben, die den Schnee ausbeulten wie eine Teppichfalte.
    »Wie Mogda wollen stürmen Dorf?«, fragte Bralba.
    Mogda sah hinüber zu dem eingestürzten Tor. Bralba hatte Recht, es war ein Dorf, oder vielmehr die Ruine eines Dorfes. Die Heimat der Barbaren als Stadt zu bezeichnen würde jede Ogerbehausung zu einem Palast machen.
    »Wir brauchen das Dorf nicht stürmen. Er hat uns eingeladen«, sagte er.
    »Mogda sprechen von ›er‹? Bralba denken, Dorf ist Heimat von kalten Kriegern in Bärenfell.«
    Mogda zeigte an das östliche Ende des Erdwalls. Dort stand eines der Häuser, das noch intakt schien. Ein schaler dünner Rauchfaden kräuselte sich aus dem Schornstein und verlor sich im Grau des Himmels.
    »Ich weiß nicht, wer hier wohnt - vielleicht niemand, aber dort drinnen ist jemand, der versucht, sich Hände und Füße an einem Feuer zu wärmen. Selbst wenn alle Barbaren des Landes um dieses brennende Holzfeuer herumstehen, meine Füße werden sich dazugesellen. Wenn es denen da drinnen nicht recht sein sollte, werde ich ihnen zeigen, was man mit großen Füßen noch so alles machen kann. Hol die anderen, wir gehen los.«
    Es dauerte nicht lang, bis sich alle aus ihren Verstecken erhoben hatten. Die triste Landschaft bot ohnehin kaum Schutz, und falls es in Uthna Wachen gab, hatte man sie ohnehin längst entdeckt. Mit tief gesenkten Häuptern und wahllos in Decken, Pelze oder Leinenstoffe gehüllt, die sie zusammengesucht hatten, schlichen die restlichen Oger auf Mogda zu. Die wenigen Seeleute, die noch übrig geblieben waren, drängten sich zwischen die massigen Körper der Oger, um Schutz zu suchen -

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