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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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und den Tod gefunden. Wir aber sind hier, weil wir den Tod suchen.«
    »Wenn das so ist, werden wir euch eure Beute bestimmt nicht streitig machen«, erwiderte Londor. »Vielleicht sollte ich mit meinen Männern besser hier warten.«
    Mogda drehte sich um, packte Londor an der Decke, in die der Kapitän sich gewickelt hatte, und hob ihn hoch zu den Fenstern des Langhauses.
    »Worauf willst du warten? Dass sie wiederkommen und dir ein Schiff bringen oder dass der nächste König mit seinen Soldaten hier anlandet und dich rettet?«
    »Habe ich die Wahl?«, fragte Londor hoffnungsvoll.
    »Nein, Blödsinn, ihr kommt natürlich mit«, brummte Mogda. »Keuchel macht einfach zu gutes Essen, um ihn gehen zu lassen.«
    »Auch Keuchel macht aus Schnee keine gute Suppe«, wandte Londor ein.
    »Aber daraus vielleicht«, sagte Mogda und zeigte auf die gefrorenen Abdrücke zweier riesiger Tatzen im Schnee.
    »Was soll das sein?«, staunte Londor. »Für die Abdrücke eines Bären sind sie zu groß.«
    »Ich habe sechzig Mäuler zu stopfen«, sagte Mogda. »Bären, die zu groß sind, gibt es nicht.«
    Sie marschierten weiter, bis sie das Langhaus am Ende des Erdwalls erreicht hatten. Drei Stufen führten an der Stirnseite des Hauses hinauf zum Eingang. Alle Fensterläden waren verschlossen, und auch die Tür schien noch intakt.
    »Ihr wartet hier«, sagte Mogda zu Londor, Bralba und den anderen, die ihn hören konnten.
    Mit einem Schritt war Mogda auf der obersten Stufe und stellte mit Wohlwollen fest, dass die Bohlen, so alt sie auch waren, seinem Gewicht standhielten. Die Tür war groß genug, dass er hindurchpasste, und die Einblicke in die anderen Langhäuser hatten ihm verraten, dass er aufrecht in ihnen stehen konnte. Er drückte gegen die Tür. Sie war von innen verriegelt. Ein kräftiger Stoß ließ das Holz zersplittern, und die Tür sprang auf.
    Aus dem Inneren drang ein Geruch von kaltem Rauch und ranzigem Fett. Schmale Lichtspuren teilten den Raum dort, wo die Wände und Fenster undicht geworden waren, und in der Mitte des Bodens schien das Licht von unten aus einem Loch hervorzuquellen. Am Ende des fast hundert Schritt langen Raumes hockte eine Gestalt auf Knien vor einem Bett. Das glimmende Feuer aus dem Kamin beschien ihre Umrisse. Mogda trat vorsichtig ein.
    Die langen Bodenbretter knarrten und ächzten unter dem Gewicht des Ogers. Der Raum war nicht weiter unterteilt, und die Decke zog sich hoch bis in den Giebel. Mogda brauchte sich nicht anzuschleichen. Man wusste ohnehin, dass er und seine Oger hier waren, und wenn nicht, hatte das Öffnen der Tür ihn verraten.
    Die Gestalt vor dem Kamin zeigte jedoch keinerlei Regung. Mogda durchschritt den Raum bis zur Hälfte, bis er an dem Loch im Fußboden ankam. Die Bodenbretter waren hier zersplittert und lagen um den Rand herum oder waren hinabgestürzt. Das Licht kam aus dem Zwischenraum zwischen Erdboden und Hüttenboden, da das Langhaus ja auf Stelzen stand, doch das Loch bohrte sich noch weiter in die Tiefe des gefrorenen Bodens. Es sah aus, als ob sich etwas aus dem Erdreich nach oben gebohrt und keine Rücksicht darauf genommen hatte, was über ihm lag. Keine Balken, keine Stützen, es war einfach nur ein Loch in der Erde. Wozu es diente, war ihm schleierhaft.
    »Du hast meine Tür zerbrochen«, keifte die kniende Gestalt am Ende des Raumes. Es war die Stimme einer alten Frau, die erschöpft, aber herrisch zugleich klang. »Komm näher, ich kann dich nicht erkennen.«
    Mogda folgte der Aufforderung zögerlich. Er war es gewohnt, dass man einen anderen Tonfall anschlug, wenn man mit ihm sprach. Seitdem die Meister weg waren, hatte sich niemand mehr erlaubt so mit ihm zu sprechen. Die Stimme der Frau klang anders als die krächzende, näselnde Sprechweise der Nesselschrecken, doch der Tonfall war derselbe.
    Als sich Mogda der alten Frau näherte, sah er, dass sie sich einem Greis zugewandt hatte, der vor ihr im Bett lag. Behutsam tupfte sie die Stirn des Alten und hielt seine Hand, die unter der Decke hervorlugte. Beide schienen etwa gleich alt zu sein - wie alt, vermochte Mogda nicht zu sagen -, doch seinem Gefühl nach hatte sie den Tod schon um einige Jahre betrogen. Die Haare der Frau waren lang und weiß. Noch immer hatte sie den Oger keines Blickes gewürdigt. Der Mann hatte einen kahlen Schädel, eingefallene Wangen, und sein Blick war weiß und trübe wie Ziegenmilch. Die knorrigen Finger, die einander umklammerten, glichen den Wurzeln von Bäumen in den

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