Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
Bergen, wenn sie nicht genügend Wasser und Halt fanden.
»Ich suche Suul«, sagte Mogda, ohne dabei allzu fordernd zu klingen.
Jetzt drehte sich die alte Frau zu ihm um. Ihr Gesicht war eingefallen, ihre Lippen schmal und ihre graue Haut faltig. Ihr Gesicht schien älter, als es hätte werden dürfen, doch ihre Augen glänzten voller Leben und Hass. Dieser Blick galt einzig und allein Mogda. Sie zeigte keine Verwunderung oder Furcht vor dem Oger, einem Wesen, das ihr fremd und abnorm hätte sein müssen.
»Du hast die Tür kaputtgemacht«, wiederholte sie. »Repariere sie, und ich beantworte dir deine Fragen.«
Der Handel schien Mogda angemessen. Es gab wahrscheinlich nichts, was er ihr sonst hätte bieten können. Und ihr damit zu drohen, ihr Leben zu nehmen, würde sie nicht beeindrucken. Jemand, der so alt geworden war, ließ sich auch von einem Muskelprotz nicht mehr einschüchtern.
»Kapitän Londor«, brüllte Mogda, »schickt einen eurer Leute, damit er die Tür repariert.«
Einen der Oger mit dieser Aufgabe zu betreuen hieße, den Verlust der Tür oder noch mehr in Kauf zu nehmen. Das handwerkliche Geschick eines Ogers reichte allenfalls dazu aus, ein Loch zu graben - wenn es kein genaues Maß brauchte.
Von der Tür hörte er Londor fluchen und Tinnert mit der Aufgabe betreuen. »Was denkt er, was man mit einem Axtkopf alles reparieren kann? Demnächst sollen wir das Dorf wieder aufbauen und die Felder bestellen, alles mit einer verdammten Axt. Wir sind Seeleute, keine Zimmermänner, und er ist ein verdammter Oger, nicht unser König.«
Mogda verstand Londors Groll, aber er wusste auch, dass der Kapitän alles tun würde, was er ihm auftrug. Wenn der Kapitän hoffte, je von hier wegzukommen, dann nur mit Mogdas Hilfe.
»Zufrieden?«
Die alte Frau nickte und wandte sich wieder dem Mann im Bett zu. Sie tauchte einen Lappen in eine Schüssel mit Wasser, wrang ihn aus und tupfte erneut die Stirn des Alten.
»Wo finde ich Suul?«, fragte Mogda erneut.
»Wärest du vor sechs Dekaden gekommen, wärest du jetzt am Ziel deiner Reise. Einst war ich Suul und dieser Mann hier der Anführer meiner Brut. Doch irgendwann verebbte das Blut zwischen meinen Schenkeln, und es gab eine neue Suul und danach noch eine und noch eine und noch eine.«
»Ich denke, Suul ist eine Göttin?«, unterbrach Mogda sie. »Kann bei euch jeder einmal Gott werden, vielleicht reicht es schon, wenn man eine Tür reparieren lässt.«
»Du bist lieber still, Mogda«, sagte sie und funkelte ihn an. »Gerade du solltest wissen, was die Götter aus einem machen können. In einem Moment bist du noch eine Jungfrau und im nächsten schon eine Göttin. In einem ein dummer Oger und im nächsten Augenblick ein ...«
Sie kannte seinen Namen. War sie vielleicht eine Schamanin? Mogdas Mitleid für die Alte schlug um in Hass. Jetzt hatte er endlich das Land verlassen, in dem jeder zu wissen schien, welche Aufgabe die Götter ihm übertragen hatten. Er hatte ein Eismeer überquert und war tausend Meilen von seiner Heimat entfernt, und die erste Person, auf die er traf, wusste mehr über ihn als er von sich selbst.
»Wo ist Suul, und wo ist dieser Schild von Nassfal?« Diesmal gab Mogda an seinem Tonfall zu erkennen, was passieren würde, wenn er keine ausreichende Antwort bekam.
»Suul hat das Land in Richtung Norden verlassen mit allen Kriegern, deren Blut noch kocht. Den Schild hat sie bei sich wie auch alle anderen Artefakte. Doch das Schild Nassfal ist anders, es birgt wirkliche Magie. Wir haben sie alle zusammengetragen bis auf einige wenige, die wir nicht finden konnten oder die der Lauf der Zeit noch nicht hervorgebracht hat. Das Schild hat uns über Dekaden gute Dienste geleistet, doch vor einiger Zeit verlor es an Kraft, genau wie das Land. Suul hat Krieger ausgesandt, um die letzten Göttergaben zu suchen, doch es dauerte zu lange. Das Land konnte unser Volk nicht mehr ernähren. Und so zog sie aus, um den Hunger unseres Volkes zu stillen.«
»Dann ist sie dümmer, als ich dachte«, sagte Mogda. »Wenn es nur darum geht, ein Volk von Wilden zu ernähren, hätte sie besser daran getan, in den Süden zu gehen. Im Norden wird sie auch nur Schnee und Eis finden. Außerdem hatte ich immer gedacht, nur wir Oger laufen hinter unserer Nahrung her. Warum züchtet ihr kein Vieh oder pickt euch Löcher ins Eis, um zu angeln? Die Menschen sind doch so erfindungsreich.«
Ein Lächeln tat sich im Gesicht der Alten auf. »Das Vieh, das wir essen,
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