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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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ihres Geliebten ließ sie erkennen, dass der alte Geschichtenerzähler im Recht war.
    »Alles, was wir gewonnen haben, sind drei oder vier Stunden«, sagte Hagrim. »Die anderen werden sie irgendwann finden, und spätestens dann sollten wir weit genug weg sein, damit sie unser Blutgeld nicht mehr riechen und uns finden können.«

30
Gesäte Kälte

    »Das ist doch kein Dorf«, schnaubte Mogda. »Seht es euch an, es sieht aus wie ein riesiger Schweinepferch. Wir müssen falsch gelaufen sein.«
    Mogda, Bralba und Kapitän Londor hatten sich bis auf eine halbe Meile an die Siedlung herangewagt.
    Verschanzt hinter einer Schneewehe, lagen sie auf den Bäuchen und beobachteten, was in dem Ort vor sich ging.
    »Es gibt auf der ganzen Insel Argaht nur ein einziges Dorf, und das ist Uthna«, erklärte Londor. »Wenn wir die Insel verfehlt hätten, wären wir nicht einen halben Tag gelaufen, um Land zu erreichen, sondern fast drei Tage. Außerdem gibt es auch an der Küste der Nordlande keine Stadt, die man hätte ansteuern können. Nördlich des roten Sumpfes gibt es nichts mehr außer Wasser, Eis und kahle Wildnis. Es gibt also nur ein einziges Dorf, das ist Uthna, und das steht vor uns.« Londor sprach langsam und betont, außerdem klang seine Stimme mehr als nur genervt.
    Sie hatten tatsächlich nur einen halben Tag gebraucht, um Land zu erreichen. Mogda wäre der Unterschied zwischen Land und Eis zwar gar nicht aufgefallen, doch der Berg im Norden und das bewaldete Gebiet im Nordwesten deuteten auf festen Untergrund hin. Mogda hätte schwören können, dass sie von Anfang an auf Land gelaufen waren, doch Londor beharrte darauf, das tief unter ihnen die ganze Zeit Wasser gewesen war. Als Beweis dafür zeigte er Mogda eine Karte, die mit geschwungenen Linien so durchfurcht war, dass man hätte glauben können, die ersten Malversuche eines Kindes vor sich zu haben.
    Unaufhörlich hatte der Kapitän immer wieder auf verschiedene Punkte gezeigt und gesagt: »Wasser, Wasser, Küste, Wasser.« Irgendwann hatte Mogda dann aufgegeben zu fragen. Er war stehen geblieben, hatte sich um die eigene Achse gedreht, die Landschaft in ihrer weißen Unendlichkeit in alle Richtungen betrachtet und gesagt: »Ach, hier sind wir also.« Dann hatte er die Arme gen Himmel gereckt und gerufen: »Dann kann es nicht mehr lange dauern, bis wir endlich dort sind.«
    Als schwarzer Pulk im weißen Nichts waren die Schiffbrüchigen losgezogen, aber mit der Zeit hatten sich die ersten Oger an der Spitze abgesetzt, und die Verwundeten waren ein Stück zurückgefallen. Als sie Argaht erreichten, waren sie ein Tross von einer halben Meile Länge. Wie ein schwarzes Band zogen sie sich quer durch den Schnee. Jeder, der sie sehen wollte, konnte sie sehen. Ein Verstecken oder Anschleichen erlaubte diese Landschaft nicht. Mogda tröstete sich damit, dass dies auch für ihre Feinde galt.
    »Ihr könnt erzählen, was Ihr wollt«, sagte Mogda, »es passt nicht zusammen. Die Geschichten erzählen von den Nordlanden und den Barbaren. Sie berichten von großen Kriegen und Schlachten, die sich über lange Zeit hingezogen haben. Tausende von Soldaten gegen ein Heer von wilden Kriegern. Eine Flotte von Schiffen, die in einem Seegefecht versenkt wurde. Viele der Männer, die von hier zurückkamen, finden kaum Worte für das, was ihnen angetan wurde. Sie beschreiben den Krieg mit den Barbaren als ein Massaker.«
    »Und was stört Euch daran?«, fragte Londor schnippisch.
    »Eigentlich alles«, entfuhr es Mogda. »Ich frage mich, was die Menschen aus Nelbor hier wollten? Schaut Euch um, so weit ich sehen kann, gibt es nichts, für das sich ein Oger auch nur von seinem Lager erheben, geschweige denn eine lange Schiffsreise mit all ihren Strapazen in Kauf nehmen würde. Dieses Land und alles, was ich sehen kann, ist so abschreckend wie verfaultes Essen. Aber selbst wenn jemand dumm genug ist, hierher zu reisen, frage ich mich, gegen wen er Krieg führen wollte. Nehmen wir einmal an, dieses Dorf, nenn es ruhig weiter Uthna, war wirklich einmal so etwas wie der Sitz der Barbaren. Wie viele Krieger passten dann da hinein? Ich unterstelle den Nordmännern mal einfach, dass sie auch in Familien - zusammen mit Frauen und Kindern - leben. Somit würden dort vielleicht dreitausend Hüttenbauer leben können. Sagen wir, die Hälfte davon sind Frauen, und von den Verbleibenden sind noch einmal die Hälfte Kinder und Greise, dann bleiben nur tausend über, die zu den Waffen greifen

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