Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
züchtet sich selbst und lebt in Städten aus Holz und Stein. Der Hunger der Krieger des kochenden Blutes lässt sich nur mit Fleisch stillen, das auch eine Waffe tragen kann. Gehe ruhig zurück in dein Land und warte auf sie, sie werden kommen und sich durch die Straßen, Gassen und Häuser fressen.«
Mogda wurde unwohl zu Mute. Wollte die Alte ihm erzählen, dass die Krieger dieses Volkes sich von anderen Menschen ernährten? Früher hatte man den Ogern nachgesagt, dass sie Menschen fraßen, doch hatten sie das nur verbreitet, um die Angst der Hüttenbauer zu schüren.
»Was ist in dem Loch da?«, wollte Mogda wissen. Er hatte genug von den Geschichten alter Frauen. In Nelbor hatte ihn die Trollschamanin schon in ihre wirren Prophezeiungen und Geschichten von Schicksal verstrickt, und hier setzte diese Hüttenbauerin es fort. Er wollte nur ein paar Antworten und dann schleunigst verschwinden.
»Jedes Land«, begann die Alte, »das Suul hinter sich lässt, weihen die Krieger des kochenden Blutes ihrer Macht. Sie setzen ihren Samen in die Erde und sehen, wie die Frucht gedeiht. Wir nennen ihre Kinder Götterfrost.«
»Was für ein schöner Name«, spottete Mogda. »Die kleinen werden bestimmt wenig Freunde haben. Wie würde es Suul gefallen, wenn wir ihren Lieben einen Besuch abstatteten? Ach, ich vergaß, es sind dann ja auch deine Kinder.«
»Töte mich, deshalb bist du doch gekommen«, sagte die Frau mit eisiger Mine.
»Ich will nicht dich«, sagte Mogda. »Ich will keine alte Frau, die ihrem vergangenen Leben als Göttin nachtrauert. Ich will die Göttin selbst und das, was mir gehört.«
Die Frau wandte sich wieder ab und kümmerte sich um den greisen Mann im Bett. Mogda schnaufte verächtlich und trieb die Klinge seines Runenschwertes durch den Bretterboden.
»Du solltest mal lüften, hier stinkt es nach Tod.«
Er steckte das Schwert zurück in die Scheide und ging in Richtung Ausgang. Als er abermals an dem Loch vorbeikam, sah er hinunter und glaubte, einen Fackelschein zu sehen, doch das Schauspiel wiederholte sich nicht.
»Kapitän Londor, sagt Bralba, ich brauche sie und drei weitere Krieger. Sie sollen herkommen und eine Fackel mitbringen«, rief er.
Eine Fackel zu entzünden stellte sich als schwieriger und langwieriger heraus als angenommen, doch nach einer Weile kamen Bralba, Purgol und zwei weitere Krieger mit brennenden Holzscheiten herein.
»Pech hart wie Stein«, entschuldigte sich Bralba.
»Schon gut«, erwiderte Mogda. »Wir wollen dorthinunter. Vielleicht ist dort unten etwas, was uns weiterhelfen kann. Vielleicht haben sie Vorräte dort unten gelagert.«
Er entzündete einen umherliegenden Span an ihrer Fackel, und als er genügend Feuer gefangen hatte, um nicht von allein wieder zu verlöschen, warf er ihn hinunter. Das brennende Holz fiel rund zwanzig Fuß in die Tiefe und landete in einem Haufen aus Geröll und Eis. Dort unten schien es einen Tunnel zu geben, der in entgegengesetzte Richtungen verlief. Anscheinend hatte man hier einen Zugang geschaffen, oder einen Ausgang - je nachdem, wie man es sehen wollte. Mogda bezweifelte, dass sich Leute aus dem Dorf dort unten versteckt haben konnten. Nirgends hing ein Seil oder Kletterhaken, an denen sie sich hätten herunterlassen können, doch irgendetwas musste dort unten sein, und er wollte nicht gehen, bevor er herausgefunden hatte, was es war.
Etwas unterhalb des Holzfußbodens hatte sich ein vorstehender Balken zwischen den Stützen des Langhauses verkeilt. Er ragte nur einen Fuß in das Loch hinein, doch Mogda beschloss, dass er als Halt reichen würde, um sich von ihm aus hinabzulassen. Er zwängte sich durch das Loch im Boden des Langhauses, setzte sich an den Rand des Lochs und ließ die Beine baumeln. Dann griff er nach dem Balken und ließ sich vorsichtig herunter, bis er mit seinem vollen Gewicht daran hing. Er schwang zwei Mal vorsichtig hin und her und ließ sich dann in die Tiefe fallen. Sein Sturz wurde von dem Geröllhaufen abgefangen, sodass er unverletzt wieder auf die Beine kam und sein Runenschwert blankzog. Zu seinen Füßen flackerte der brennende Holzscheit.
»Niemand zu sehen«, rief er hoch. »Ihr könnt nachkommen.«
Erst im Nachhinein fiel ihm auf, wie abgedroschen die Anweisung geklungen haben mochte. Er überlegte sich, wie sein Befehl wohl gelautet hätte, wenn er von einem Trupp Barbaren erwartet worden wäre - vielleicht: Oh, fünf böse Krieger. Bleibt bloß oben, bis ich sie alle getötet habe.
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