Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
Hand und schwang diese, als ob sie kein Gewicht hätte. Er hielt geradewegs auf Tastmar und die Reiter zu. Wieder einmal ging der Plan des dünnen Mannes auf. Die Sonne stand niedrig über den Bergen, und die meisten ihrer Häscher sahen Gnunt erst, als er an Tastmar vorbeilief und mitten zwischen Pferde und Reiter stürmte.
Er hörte das Schnauben und Schreien von Tier und Mensch, als Gnunt mit den Söldnern zusammenstieß. Ein kurzer Blick über die Schulter zeigte ihm, dass er noch nicht außer Gefahr war. Gnunt schlug mit seiner Keule einem der Pferde gegen die Brust. Das Tier bäumte sich auf, warf den Reiter ab und stürzte rückwärts auf den am Boden liegenden Mann. Ein weiteres Pferd hatte der Oger im Würgegriff und versuchte, das Tier zu Boden zu reißen. Fünf der Söldner waren bereits am Boden und versuchten, entweder wieder auf die Beine zu kommen oder sich vom Gewicht ihrer Reittiere zu befreien. Keines der Pferde ließ sich mehr an Gnunt heranführen, und so waren die Männer gezwungen, von ihren Rössern abzusteigen und sich dem Oger zu Fuß zu stellen.
Viele ihrer Häscher zogen jedoch am Kampfgeschehen vorbei und jagten immer noch hinter Tastmar her. Mit einem weiten Sprung rettete er sich durch die Lücke in der Mauer. Die berittenen Söldner hinter ihm schleusten ebenfalls ihre Tiere durch die Mauer, nur verloren sie im Gegensatz zu ihm dabei kostbare Zeit. Tastmar hatte wieder einige Längen Abstand zwischen sich und die Söldner gebracht, doch lange würde er den Vorsprung nicht mehr halten können. Spätestens eine halbe Meile weiter, wenn er den Anstieg zu dem kleinen Tunneleingang überwinden musste, würden die Pferde ihn eingeholt haben.
Tastmar erkannte gerade noch rechtzeitig den Steinquader von der Größe eines Weinfasses, der direkt vom Himmel zu fallen schien. Keine zehn Schritt vor ihm schlug der Brocken ein, versprühte eine Menge Sand und Staub und grub sich zwei Fuß in die Erde, bevor er wie erstarrt liegenblieb. Einschlagende Felsbrocken auf dem Schlachtfeld waren nichts Ungewöhnliches für den Oger, doch normalerweise war er es gewöhnt, hinter einem Katapult zu stehen und zuzuschauen, wie die Geschosse sich in die Reihen der Feinde fraßen. Selbst einmal unter Beschuss zu geraten war etwas anderes.
Tastmar richtete den Blick nach oben. Von irgendwoher mussten die Steine schließlich kommen. Ein Katapult war nirgends in Sicht, und außer Drachen hätte kein fliegendes Wesen dieses Gewicht tragen können. Ein weiterer Stein hing hundert Fuß über ihm, wie von einem unsichtbaren Band getragen. Diesmal schlug der Brocken hinter ihm ein, dennoch spürte er deutlich die Erschütterung. Das Schreien der Söldner und das Wiehern der Pferde wurde wieder lauter. Immer noch sah er nicht, woher die Geschosse kamen. Vor ihm tat sich ein regelrechtes Trümmerfeld auf. Umgestürzte Säulen, Reste der inneren Wehrgänge, die damals zum Schutz der Zwergenfeste angelegt worden waren, und eingestürzte Wachbauten versperrten den Weg. Wie von Geisterhand schwebte ein Dutzend der Trümmerteile vor ihm in die Höhe. Die halbe Wand eines Wachgebäudes brach vom Fundament ab, riss Sand und Grassoden mit sich, schwebte einen Augenblick, bis sie wie von einem Katapult abgefeuert über Tastmar hinwegraste. Andere Brocken tanzten in der Luft wie dicke Käfer und schossen dann ebenfalls über ihn hinweg.
Tastmar erreichte die Anhöhe, die zum Tunneleingang führte. Sein Herz raste, und er verstand nicht, was hier vor sich ging. Dann bemerkte er Cindiel, die im Eingang stand, die Hände vor der Brust verschränkt und einen leuchtenden Kegel umklammernd. War sie es, die Steine durch die Luft tanzen ließ, deren Gewicht nicht von zehn Ogern getragen werden konnte? Tastmar kannte die junge Hexe schon seit vielen Jahren, doch außer ihren Heilkräften und einigen Zaubern, die für einen Oger kaum sichtbare Wirkung hinterließen, dachte er immer, sie sei so etwas wie ein Kräuterweib. Dass sie zu so etwas imstande war - dass überhaupt jemand so viel magische Kraft besaß -, hatte er nicht geahnt.
Ein erneuter Blick hinter sich zeigte ihm, dass man mit Magie mehr erreichen konnte als mit einem Dutzend Katapulten. Über die Hälfte der Söldner lag, unter Trümmern begraben, schwer verletzt am Boden. Auch viele der Pferde hatten ihr Leben lassen müssen. Einige humpelten umher oder lagen auf dem Bauch und versuchten, sich mit letzter Kraft wieder zu erheben. Dennoch war es anderen gelungen, dieses
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