Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
sehen konnte, einen halb gefüllten Schlauch. Kraftlos zog sie den Korken heraus und benetzte vorsichtig ihre Lippen, dann nahm sie einen großen Schluck. Sie versuchte sich aufzusetzen, doch ihre Arme gaben unten dem Gewicht nach. Hagrim und Finnegan packten sie gleichzeitig und stützten sie, um sie gegen einen Felsen zu lehnen.
»Wo sind wir?«, fragte sie verwirrt und sah sich um.
Der Schein von Fackeln leuchtete einen kargen Gang oder eine lange Halle aus.
»Wir sind in der Zwergenfeste. Erinnerst du dich nicht mehr? Wir mussten fliehen, um den Söldnern zu entkommen. Wir wollen den Funken der Götter dorthin zurückbringen, von wo er stammt. Du hast uns gerettet, doch jetzt sitzen wir hier fest. Ein Felsen blockiert den Ausgang«, erklärte Finnegan.
Cindiel wandte ihren Blick zu dem mannshohen Steinblock, der den Ausgang blockierte. Jemand hatte den Stein passgenau bearbeitet und in die Öffnung gerollt. In König Braktobils Zwergenesse hatte sie zahlreiche dieser natürlich wirkenden Sperren gesehen. Die Bärtigen verschlossen Geheimgänge mit solchen Felsen, doch immer gab es einen Weg, sie zu bewegen.
»Tastmar, hilf ihnen, den Stein beiseitezurollen«, sagte sie.
»Nein, nein, wir haben es schon versucht. Er sitzt fest. Nicht einmal mit der Kraft von zehn Ogern lässt er sich bewegen«, erwiderte Finnegan.
Cindiel sah in das Gesicht des Ogers. Die groben Züge verrieten den meisten Menschen nicht viel von dem, was die hünenhaften Krieger dachten, doch Cindiel hatte im Laufe der Jahre gelernt, in ihnen zu lesen.
»Versucht es noch einmal«, keuchte sie und nickte Tastmar dabei zu.
Erst jetzt bemerkte sie den pulsierenden Splitter in ihrer Hand. Sie erinnerte sich wieder, wie er aus ihrer Hand geglitten war, als die Erde bebte, und wie sich mit dem Stein auch die Kraft aus ihrem Körper gelöst hatte. Der Funken gab ihr die Macht, Zauber zu sprechen, die um einiges größer waren, als ihre Fähigkeiten ihr erlaubt hätten. Alles, was sie dafür tun musste, war, sich dem pulsierenden Leuchten hinzugeben und ihre Kraft mit der des Steines zu vereinen.
So musste es auch der Priester Ochmalat getan haben, um das gleißende Licht in den Himmel zu schicken. Ein einfacher Lichtzauber, den jeder Lehrling der arkanen Magie beherrschte, wäre dazu in der Lage - in seiner Potenz vervielfacht durch den Götterfunken. Anscheinend brauchte es etwas Zeit, um sich aus dem Artefakt zurückzuziehen, deshalb war sie ohnmächtig geworden, als sie es aus der Hand verlor. Wer weiß, wie lange sie hier gelegen hätte, wenn Hagrim den Stein nicht zurück in ihre Hand gegeben hätte. Immer noch hatte sie Schwierigkeiten, die Bilder in ihrem Kopf zu sortieren. Ihr war unklar, was zum Traum und was zur Wirklichkeit gehört hatte.
Tastmar grunzte mürrisch und klopfte gegen eine Vertiefung im Stein. Mehrere natürlich aussehende Mulden klafften an seiner Oberfläche, und Tastmar versuchte, den Soldaten zu zeigen, wo sie anpacken und in welche Richtung sie drücken sollten. Mit einem tiefen Grollen schob sich der Block Stück für Stück seitlich in die Wand, und mit vereinten Kräften räumten sie den Ausgang frei.
Vor ihnen lag ein kleines Tal und gleich dahinter das schützende Grün des Elfenwaldes. Die Zwerge hatten ganze Arbeit geleistet. Wenn es ihnen gelungen wäre, ihren Angriff von hier aus zu starten, wären die Elfen von den Zwergenkriegern überrannt worden.
»Er hat die ganze Zeit gewusst, wie man den Stein bewegt«, beschwerte sich Hagrim. »Wir wären schon seit zwei Tagen raus aus diesen verdammten Tunneln. Warum hat er uns nicht geholfen?«
»Der Stein war in Sicherheit«, erklärte Cindiel. »Warum hätte er einen anderen Ort aufsuchen sollen?«
»Du meinst, er hätte uns hier unten verrotten lassen, wenn du nicht wieder aufgewacht wärst? Das sind ja schöne Aussichten.«
»Mogda hat uns seine Kameraden nicht zur Seite gestellt, damit sie auf uns aufpassen, sondern damit sie auf den Funken Acht geben.«
Behutsam half Finnegan der jungen Frau auf die Beine, doch die Erschöpfung war ihr noch anzumerken. Tastmar drückte den Soldaten zur Seite und nahm Cindiel auf den Arm.
»Komisch«, schnaubte Hagrim. »Jetzt sieht es doch fast so aus, als ob er dich tragen würde. Aber wahrscheinlich macht er das auch nur, weil du den Stein hast.«
Cindiel nickte.
»Kann ich ihn auch mal haben?«, schnaubte der Geschichtenerzähler.
Gemeinsam verließen sie die Zwergenfeste. Der Ausgang lag nicht höher als
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