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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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dreihundert Fuß über dem darunterliegenden Tal. Der Abstieg war seicht und einfach, wie geschaffen für eine Armee. Cindiel hätte sich gewünscht, genauso viele Krieger bei sich zu haben wie damals bereitstanden, um über die Elfen herzufallen, doch sie waren nur ein tauber Oger, ein alter Geschichtenerzähler, eine Hand voll Stadtwachen und eine geschwächte Kräuterfrau.
    »Was ist mit Gnunt passiert?«, fragte Cindiel Tastmar. Sie wusste nicht genau, ob sie das Schicksal des sonderbaren Ogers nicht mit angesehen hatte oder ob es irgendwo in ihren lückenhaften Erinnerungen schlummerte.
    Der Oger schüttelte nur den Kopf. Er wusste genau, was passiert war, nur wollte er es ihr aus irgendeinem Grund nicht verraten. Da er nicht sprechen konnte, hätte eine einfache Geste genügt - oder aber auch nicht. Vielleicht war sein Tod zu grauenhaft und qualvoll gewesen, um ihn mit einem Fingerzeig zu beschreiben, versuchte sie sich einzureden.
    Es begann bereits zu dämmern, als sie den Wald erreichten und in das Dickicht eintauchten, das sie vor neugierigen Blicken schützte.
    Vier Tage war es her, dass sie die Söldner am Eingang der Zwergenfeste zurückgetrieben hatten. Finnegan und die anderen Soldaten versuchten, Cindiel Mut zu machen, indem sie ihr erklärten, dass ihre Häscher es unmöglich geschafft haben konnten, in dieser Zeit die andere Seite der Berge zu erreichen, ohne die Tunnel zu benutzen. Auch Hagrim und Tastmar wussten keinen anderen Weg, doch das bedeutete nicht, dass es keinen gab. Die Belohnung für ihre Köpfe war sicherlich hoch genug, dass sich der eine oder andere einen außergewöhnlichen Plan einfallen ließ. Und selbst wenn diese Söldner keine Möglichkeit fanden, die Berge zu überqueren, es gab genug von ihnen, die überall im Land auf sie lauerten. Schließlich gab es nicht viele Orte, zu denen sie gehen konnten, und diese kannten auch die Söldner.
    Wenn er auch weit von Osberg entfernt lag, wirkte der Wald auf Cindiel heimisch - und mochten hier noch so schlimme Dinge passiert sein. Die Wälder waren ihr immer näher als jede Stadt. Manchmal hatte sie Usil um sein Schicksal beneidet, fernab von jedem Ort, tief im Tannenverlies zu wohnen. Die Elfen, die zwischen diesen Bäumen gelebt hatten, wussten um die Magie der Pflanzen, kannten ihre geheimen Wirkungen und verstanden sie anzuwenden. Sie beneidete auch die Elfen, wie konnte sie da den Ort fürchten, an dem sie zuhause gewesen waren.
    Cindiel sah sich unter den angespannten Gesichtern der Männer um, die sie begleiteten. Sie fürchteten diese für sie fremde Welt, und sie erinnerten sich an Eliah und seine Armee von dunklen Elfen, die hier spurlos verschwunden waren. Mit hektischen Blicken zu den Seiten und zusammengekniffenen Augen durchsuchten sie das Unterholz nach vermeintlichen Hinterhalten. Selbst Finnegan, der den Wald kannte und mit ihr zusammen an der Verfolgung von Eliah teilgenommen hatte, schien nichts mehr von der Selbstsicherheit innezuwohnen, die er zuvor gezeigt hatte.
    Hagrim schien noch am wenigsten erschrocken. Er kannte all diese Gegenden, wenn auch nur aus Geschichten, doch er hatte diese so oft erzählt, dass es ihm vorkommen musste, als sei er selbst schon einmal hier gewesen. Trotzdem machte er ein Gesicht, als ob ihm die letzte Flasche Rotwein auf der Welt gerade eben zu Boden gefallen wäre.
    Ein Blick hinauf in das grobe Gesicht des Ogers zeigte Cindiel, dass auch er finster dreinblickte - doch im Gegensatz zu den anderen sah Tastmar immer so aus. Ihm schien der Elfenwald nicht fremd zu sein. Er bewegte sich sicher, und jeder Schritt schien von ihm einmal gegangen worden zu sein.
    »Von wo kommst du, Tastmar?«, fragte Cindiel leise.
    Der Oger blickte kurz nach links und rechts und dann zu Boden, dabei grunzte er zufrieden.
    »Du kommst aus dem Elfenwald?«
    Er grunzte erneut.
    Sie wusste, er konnte nicht in die Zukunft sehen. Er wusste über ihr oder sein Schicksal nicht mehr als jeder andere, doch er sah die Welt, wie sie war, und er würde sie nicht belügen, nicht einmal, um ihr Mut zu machen.
    »Werden wir den Baum Mystraloon erreichen und den Stein dort verstecken können?«
    Fast traurig sah er zu ihr herunter und schüttelte den Kopf.

34
Unter dem Eis

    Der Wind riss an dem hellen Leinenstoff und ließ ihn in einem schnellen Takt gegen die gebogenen Stangen der Konstruktion klatschen. Das Innere des Eisseglers unterschied sich kaum von der Landschaft außerhalb. Trübe schimmerte das Sonnenlicht durch

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