Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
in den Tiefen dieses Gewölbes saß und vor Wind und Regen geschützt war, klebte seine Kleidung am Körper. Der muffige Geruch war allgegenwärtig und ließ ihn die Beklommenheit umso deutlicher spüren. Im roten Sumpf roch es modrig, im Tannenverlies nach verwittertem Laub und Tannennadeln. Die Gerüche selbst unterschieden sich nur minimal, doch diese kleine Nuance brachte den Unterschied zwischen etwas, das nach Freiheit roch - oder eben danach, zwischen den Wänden eines Kerkers vergessen zu werden.
Ein bisschen Ablenkung verspürte Gnunt, wenn der Kerkermeister mit seinem Gesellen in seine Zelle trat. Drei Mal am Tag kamen sie. Morgens brachten sie das Essen. Der Kerkermeister trug immer die breite Schöpfkelle, mit der er einen Moment lang in dem Bottich herumrührte, den sein Geselle ihm hinhielt. In den ersten drei Tagen hatte er immer viel Aufhebens darum gemacht. Er rührte genüsslich, hob eine Kelle Brei hervor und ließ die grüngraue Pampe wieder zurück in den Bottich platschen. »Hm, was für ein Wohlgeruch«, hatte er gesagt. »Da hat sich aber heute jemand besonders viel Mühe gegeben. Dieses feine Aroma von Kloake.«
Jedes Mal hielt er seine Nase über den Bottich und begann zu schnuppern wie ein Wolf, der Witterung aufnahm.
Gnunt wusste nicht genau, was dieses »Kloake« für ein Tier sein sollte oder ob es vielleicht nur ein Gewürz war, aber es schmeckte tatsächlich ganz gut. Ein richtiges Stück Fleisch wäre ihm zwar lieber gewesen, aber eine Stadt war kein Wald, und Tiere waren hier sicherlich selten. Er war schließlich ein Gefangener, da konnte man nicht mehr erwarten. Um den Hüttenbauern eine Freude zu machen, brummte er genüsslich, schmatzte zufrieden und leckte sogar noch die Schüssel aus. Anfangs schien der Kerkermeister zu spüren, dass ihm Fleisch und ein paar Waldbeeren lieber gewesen wären. Mit grimmiger Miene verschwand er dann wieder, schlug die Tür hinter sich zu und fluchte leise. Mittlerweile bekam Gnunt sogar noch Nachschlag, wenn er darum bat.
Wenige Stunden später kamen dann beide Hüttenbauer erneut. Dieser Besuch war der unangenehmste von den dreien. Sie befahlen Gnunt jedes Mal aufzustehen und sich zur Wand zu drehen. Mit einer geflochtenen Lederpeitsche oder einem langen Holzstab schlugen sie ihn dann eine Weile. Gnunt war Schmerzen gewöhnt, und die beiden Folterknechte strengten sich nicht sonderlich an, ihm wehzutun. An den ersten beiden Tagen war es am schlimmsten. Die Schläge zerrissen sein Hemd, und er spürte, wie das Blut seinen Rücken hinunterlief. Mit einem eisernen Rohr schlugen sie ihm in die Kniekehlen und auf die Schultern. Gnunt bemühte sich, nicht zu schreien. Er wusste, dass Schreie alles nur noch schlimmer machten. Seine Folterer der vergangenen Tage hatten es genossen, wenn er schrie und tobte. Wie durch seine Qualen angespornt hatten sie sich immer bestialischere Foltermethoden einfallen lassen. Außerdem bedrängten sie ihn mit Fragen, die er nicht verstand, weil sie in seinem Wehklagen untergingen. Jedes Mal, wenn er keuchend nachfragen musste, schlugen sie ihn zuerst erneut und wiederholten sich erst dann. Der Kerkermeister und sein Geselle waren nicht zu vergleichen mit den Folterern der Orks, Trolle und Goblins. Schon nach den ersten paar Malen schienen sie die Lust zu verlieren. Gnunt war sogar der Meinung, dass ihnen die Schmerzen und Verletzungen, die sie ihm zufügten, leidtaten. Von Tag zu Tag wurden ihre Schläge lascher, und sie stellten ihre Fragen anstatt dreimal nur noch einmal. Mittlerweile versetzte ihm lediglich der Geselle nachlässig ein paar Schläge, während der Kerkermeister seine Fragen herunterbetete und kaum noch Gnunts Antworten abwartete.
Kurz bevor es draußen dunkel wurde, kamen die beiden ein drittes Mal. Sie warfen ihm einen Schlauch Wasser hin, überprüften seine Ketten und sahen nach seinen Wunden, damit sie sich nicht entzündeten. Als Gnunt den Dorn aus der Wand gerissen hatte, ihn aber aus Angst vor Bestrafung abends wieder in das Loch drückte, dauerte es einige Tage, bevor sie es bemerkten. Sie unterließen es aber, den Stahl erneut in der Wand zu verankern.
»Reiß nicht mehr daran«, forderte der Geselle nur. »Du würdest eine Flucht aus der Stadt ohnehin nicht schaffen. Erinnere dich an Tastmar.«
Gnunt wollte gar nicht fliehen - noch nicht. Er hatte es dem dünnen Mann versprochen. »Erst wenn sie dir richtig wehtun«, hatte Haran gesagt, was immer er auch damit gemeint hatte.
Das
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