Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
Gelehrte sprach, doch er wollte sich nicht bloßstellen lassen. »So etwas haben die Oger auch«, knurrte er. »Wir nennen es Nachthimmel. Es ist sogar noch besser als dies hier, man muss nämlich nicht erst dreitausend Stufen in die Höhe klettern.«
»Dreitausendfünfhundertsechsundsechzig«, berichtigte ihn Trumbadin. »Es gibt auch einen Höhenbeförderer, doch ich dachte mir, es sei zu gefährlich, ihn zu benutzen, da man ihn leicht sabotieren kann.«
Ganz knapp, dachte Mogda, ein bisschen weniger der Erklärung, und Ihr hättet keine Sterne mehr gebraucht, um in die Zukunft zu sehen.
»Wollt Ihr die Halle bewundern?«, fragte der Maester.
»Nein«, brummte Mogda, »Ich bin gekommen, um den Schild zu holen, und das sollten wir auch endlich tun.«
Trumbadin zeigte auf den Durchbruch und die Stufen, die nach oben führten. Der Zwerg ging wieder voraus, Mogda folgte ihm. Das letzte Stück hatten sie schnell hinter sich gebracht. Mogda ärgerte sich über jedes Geräusch, das die Zwergenrüstung von sich gab, doch er tröstete sich damit, dass Suul wahrscheinlich ohnehin schon wusste, dass sie kamen. Vor einer Holztür endeten die Stufen. Mogda war froh, dass sie groß genug für ihn war. Sich durch einen Türrahmen zu pressen und auf allen vieren seinem Feind entgegenzukrabbeln erschien ihm irgendwie würdelos.
Mogdas Plan war einfach. Er würde hineinstürmen und sich Suul stellen. Nachdem beide ihre Waffen gezückt hatten, würde sich herausstellen, wer der Stärkere war. Vor Magie fürchtete er sich wenig. Oft genug hatte man versucht ihn zu rösten, zu blenden oder tot umfallen zu lassen, doch bis jetzt war es noch keinem gelungen, vielmehr hatten sich seine Gegner damit eher selbst geschadet. Ein guter Treffer sollte reichen, selbst für eine Barbarenfrau, redete er sich ein. Er warf einen kurzen Blick auf die Tür, dann trat er sie ein und stürmte hindurch.
Das Panthenoptikum war genau das, als was es Trumbadin beschrieben hatte: ein runder Raum, bis in drei Fuß Höhe mit weißem Marmor umrandet, darüber befand sich eine gläserne Kuppel. Mittig im Raum stand eine steinerne Bank ohne Lehne und darauf saß - Suul.
»Was hast du erwartet?«, fauchte sie, während Mogda sein Schwert sinken ließ und stehen blieb. »Dachtest du, ich wäre ein junges hübsches Ding oder vielleicht eine greise alte Hexe, gestützt auf einen knorrigen Holzstab?«
Mogda konnte sich nicht mehr darauf besinnen, was er gedacht hatte, nur war es sicherlich nicht das gewesen. Vor ihm hockte eine Ogerfrau, oder zumindest schien sie es einmal gewesen zu sein. Sie war gut und gern genauso groß wie Mogda, wog mindestens das Doppelte, und wenn man sich fragen wollte, wie alt ein Oger werden konnte, war sie die Antwort darauf. Kopf und Oberkörper gingen ohne Hals ineinander über, auf ihrem fast kahlen Schädel wehten einige übrig gebliebene Haare, die man noch nicht einmal mehr zu einem einzigen Zopf hätte zusammenbinden können. Die einzelnen Konturen ihrer Gliedmaßen waren kaum auszumachen, da sie unter den Massen von Fett und glasiger Haut verschwanden. Ihr Gesäß ragte über die Bank hinaus, und die formlose Masse, die ihren Körper bedeckte, drohte herunterzutropfen und schien allein von der Haut zusammengehalten zu werden. Ihre äußerst knappe Bekleidung in Form von zwei Ziegenhäuten bedeckte gerade einmal Brust und Scham. Alles in allem wirkte Suul wie eine mehrere Wochen alte Wasserleiche. Die einzigen Punkte, die farblich herausstachen, waren ihre rosafarbene Zunge, die in kurzen Abständen über die fahlen Lippen huschte, und zwei bösartig gelb funkelnde Augen. Durch Arme, Beine, Schultern sowie den Hals hatte sie sich schwere Fleischerhaken getrieben, an deren Enden stählerne Ketten hingen, die sich zu ihren Füßen schlängelten und hinter ihr in den offenen Schacht des Höhenbeförderers führten. Vor ihrem Bauch trug sie die stachelbesetzte Schuppe eines Drachen, die mit Lederbändern hinter ihrem Rücken befestigt war.
»Du bist eine Ogerfrau«, presste Mogda hervor.
»Na, da hat das Volk der Oger ja ein richtiges Prachtexemplar hervorgebracht«, spottete Suul. »Deine Auffassungsgabe ist wirklich erstaunlich. Ogerfrau trifft es jedoch nicht ganz. Die Alten unseres Volkes nannten mich eine Vettel.«
»Das sieht man.«
»Eine Vettel ist eine Schamanin«, keifte sie. »Tabal hat uns erwählt, das Wissen der Alten von Generation zu Generation weiterzugeben. Wir waren es, die den jungen Ogern die alten
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