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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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tägliche Verhör stand an, und Gnunt lauschte den Geräuschen im Kerker. Sein Zeitgefühl hatte ihn schon vor Tagen im Stich gelassen. Ohne ein Fenster oder einen schmalen Schacht, durch den das Sonnenlicht fiel, dämmerte er die meiste Zeit vor sich hin. Die Trostlosigkeit in seinem Gefängnis machte die Stunden zwischen den Besuchen zur Qual. Gnunt war bereits so weit, dass er das Verhör und die Schläge als willkommene Ablenkung ansah. Entweder verlief die Zeit inzwischen wirklich langsamer, oder der Kerkermeister und sein Geselle verspäteten sich heute.
    Es verging noch knapp eine Stunde, die sich Gnunt mit Tellerwerfen vertrieb, bis er die Schritte der Wärter hörte. Er versuchte ein letztes Mal, den Napf mit Hilfe der Kette an sich heranzuziehen. Der Dorn landete auf dem Tellerboden, hüpfte jedoch wieder heraus. Der große eiserne Schlüssel wurde ins Schloss geschoben, bewegte die rostigen Zylinder, und knarrend öffnete sich die Tür. Der Kerkermeister und sein Geselle traten ein. Der Alte trug einen gefüllten Ziegenschlauch und sein Ziehsohn ein hölzernes Tablett mit einer dampfenden Schüssel voller Köstlichkeiten.
    »Heute wird es kein Verhör geben«, verkündete er, »jedenfalls nicht von uns und nicht hier unten. Die hohen Herrn Kleriker wünschen dich zu sehen und ihre Fragen direkt an dich zu richten. Sie werden dir dieselben Fragen stellen wie wir auch. Antworte ihnen dasselbe wie uns. Wenn sie mit deinen Antworten zufrieden sind, wirst du es schnell hinter dir haben.«
    Mürrisch sah er auf das Tablett mit Essen in der Hand des Gesellen.
    »Es ist normalerweise Brauch, dass du dir ein Essen wünschen darfst. Der Hohepriester Tyvell hat es abgelehnt, dir etwas nach deinem Geschmack vorzusetzen, er meinte ...« Der Kerkermeister kam ins Stocken und suchte nach den richtigen Worten. Nach einem kurzen Moment gab er jedoch auf. »Egal! Wir haben dir etwas aus der Küche besorgt, von dem wir meinen, es ist das Richtige. Der Junge hier hat dir sogar ein paar frische Beeren aus dem Hinterhof gepflückt, und ich habe hier noch einen Schlauch Gewürzbier.«
    Mit bitterer Miene stellten sie Essen und Trinken vor Gnunt ab und traten einen Schritt zurück.
    Die Schüssel war randvoll gefüllt mit Hammelbraten und Sülze. Unter dem Fleisch lugte etwas Kraut hervor, das verlockend nach Wacholderbeeren roch. In einem kleineren Behältnis befand sich eine Hand voll gezuckerter wilder Himbeeren. Gnunt mochte sie zwar lieber ungezuckert, dennoch war es alles in allem ein richtiges Festmahl. Er konnte sich kaum mehr daran erinnern, wann ihm das letzte Mal so gut aufgetischt wurde.
    »Gnunt nicht verftehen«, stammelte er. »Effen ift Belohnung?«
    »Mehr so etwas wie ein Tausch«, entgegnete der Kerkermeister. »Lass es dir schmecken. In einer Stunde kommen sie und holen dich ab.«
    »Dankefön«, sagte Gnunt, als die beiden den Kerker verließen und die Tür wieder hinter sich schlossen.
    Das Essen schmeckte noch besser, als es roch, und auch bei der Portionsgröße hatte der Koch nicht vergessen, wem es serviert wurde. Zusammen mit dem Gewürzbier konnte Gnunt mit ruhigem Gewissen behaupten, dass er nie etwas Besseres gegessen hatte. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten sie ihn jeden Tag für so ein Essen peitschen können. Wenn man wie er gezwungen war, sein Essen erst zu jagen, musste man häufig härtere Prüfungen bestehen, als ein paar Peitschenhiebe auf dem Rücken zu ertragen. Gierig verschlang er die Fleischbrocken sowie das Kraut und spülte sie mit Kräuterbier herunter. Zu guter Letzt nahm er die Finger und befreite die Schüssel von Soßenresten, leckte sie genüsslich ab, wobei ihm die braune Tunke über das Kinn lief.
    Er hatte gerade den letzten Schluck aus dem Weinschlauch geleert, als abermals Schritte durch den Kerker hallten. Im Gegensatz zu den gemütlich schlurfenden Geräuschen, die der Kerkermeister und sein Geselle machten, dröhnten jetzt die Fußtritte von schweren Stiefeln, begleitet vom Klirren mehrerer Kettenhemden von der Treppe. Der Schlüssel knarrte im Schloss, der Riegel wurde zurückgeschoben und die Tür mit einem Fußtritt aufgestoßen. Im hell erleuchteten Gang standen vier Stadtwachen. Sie trugen Halbhelme mit Nasenschutz, Kettenhemden, Beinschienen und Lederstiefel. Wie eine Abordnung standen sie regungslos vor der Tür, präsentierten ihre Hellebarden und beäugten die kleine Kerkerzelle aufmerksam, bevor sie eintraten.
    Die Wachen hatten Angst vor ihm, Gnunt sah

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