Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
gab es auch hier keine Neugeborenen, weder Jungen noch Mädchen.
Gemeinsam saßen die Dorfbewohner andächtig auf dem kahlen Holzboden und besahen sich den Kampf zweier Jungen, deren Alter Rator auf ungefähr zehn schätzte. Es war sicherlich nicht das erste Mal, dass diese Jungen eine Waffe in der Hand hielten. Ihre Attacken und Paraden schienen genau einstudiert. Auch wenn ihnen noch die Kraft fehlte, die Waffen mit letzter Konsequenz zu führen, erkannte Rator, dass aus ihnen einmal hervorragende Krieger werden würden. Es dauerte Jahre, einen Kampfstil so zu entwickeln, wie die beiden ihn an den Tag legten. Somit mussten sie nach dem Laufen gleich das Kämpfen erlernt haben. Rator war beeindruckt. Bei Ogern begann das Leben auf ähnliche Weise, nur dass man jungen Ogern noch keine ausgefeilten Kampftechniken beibrachte, sondern sie vielmehr zu Kraft und Ausdauer erzog.
Rator hätte gern noch länger zugeschaut, doch die Gefahr, dass ihn jemand entdeckte, war einfach zu hoch. Und vielleicht warteten die Frauen mit ihren Kindern nur auf ihre Männer, die von der Feldarbeit heimkamen. Obwohl Rator sich nicht vorstellen konnte, dass jemand in diesem kargen Land Feldarbeit betrieb, schien es ihm dennoch sicherer, schleunigst zu verschwinden. Ein Zusammentreffen mit den Erzeugern dieser Kinder versprach eine wirkliche Herausforderung zu werden. Momentan jedoch wollte Rator sich nur mit Essen versorgen und einen Gott finden. Letzteres sollte ohnehin schwer genug werden, auch ohne das Kräftemessen mit einem Dorf voller kämpferischer Bauern.
Rator fiel die Entscheidung, sich von den Geschehnissen im Langhaus abzuwenden, wesentlich leichter, als er das tiefe Knurren hinter sich wahrnahm. Immer noch hockte er neben dem Fenster und drehte seinen Kopf mit Bedacht, während seine Hand langsam zum Griff seiner Axt glitt. Sein Blick fiel auf drei dunkelhaarige Vierbeiner. Rator konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, ob es sich bei ihnen um Hunde handelte oder um irgendwelche Missgeburten. Die Tiere waren kleiner und gedrungener als die wolfsähnlichen Hunde, die er aus Nelbor kannte. Ihr Fell war kürzer und hatte etwas Borstenartiges. Das ganze Erscheinungsbild der Viecher glich einer Mischung aus Hund und Wildschwein.
Rator hasste Hunde. Im Grunde waren sie für ihn nichts anderes als der Goblinersatz von Menschen. Sie besaßen nicht viel Kraft, waren immer in Aufregung und schafften es durch ihr lautstarkes Gekläff, innerhalb von wenigen Augenblicken alle in Alarmzustand zu versetzen. Allerdings wusste Rator auch, dass es nicht klug war, ihnen zu zeigen, was man von ihnen hielt.
Er überwand seine Abneigung und hielt den drei Schweinehunden die Hand hin. Er hatte gesehen, wie Menschen dies getan hatten, um die Zuneigung der Tiere zu gewinnen. Einer der Schweinehunde bewegte sich vorsichtig auf Rator zu. Die Lefzen des Tiers bewegten sich nach oben und entblößten eine Reihe von gelb verfärbten Reißzähnen. Erst jetzt erkannte Rator, dass es sich eigentlich nicht um einen Hundekopf handelte, sondern vielmehr um ein fellumspanntes Gebiss mit zwei Augen. Das Knurren hörte sich mit jedem Schritt, den das Tier tat, bösartiger an. Entweder kannten die Tiere das merkwürdige Ritual des Handausstreckens nicht, oder es funktionierte nur bei Menschen.
Ehe er sich versah, hatte sich der Hund in Rators Hand verbissen. Fast gleichzeitig begannen die anderen beiden einen wilden Reigen und drehten sich laut kläffend um ihre eigenen Achsen. Was die Kraft dieser Tiere anging, musste Rator seine Meinung revidieren. Er spürte, wie die Zähne des Hundes seinen Handrücken mit Leichtigkeit durchbohrten und ein Mittelhandknochen unter der Kraft des Bisses brach. Trotz seiner Schmerzen bewahrte Rator die Ruhe. Die Hunde sorgten schon für genügend Aufregung, auch ohne dass ein wild fluchender Oger das Dorf um sich versammelte.
Er sprang auf und trat nach den beiden behaarten Wirbelwinden vor sich. Doch die Hunde ließen sich nicht davon abbringen, weiterhin Alarm zu schlagen. Genauso wenig wie der Köter, der von seiner Hand herabhing und versuchte, ihn zu verspeisen, auch nur einen Deut locker ließ. Es konnte nicht mehr lange dauern, dann würde das ganze Dorf sich bei ihm einfinden. Also galt es, sich schnell noch das zu nehmen, was er wollte, und von hier zu verschwinden.
Rator versuchte, den Hund von seiner Hand abzuschütteln, doch der ließ immer noch nicht los. Selbst nach einigen Schlägen auf den Schädel wollte das Tier
Weitere Kostenlose Bücher