Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
Vom Netzwerk:
immer sehr hungrig, wenn sie aufwacht, und läuft gern weg.«
    »Dann passen wir ja gut zusammen«, brummte Mogda halblaut.
    Er nahm sich vor, nicht mehr anzuhalten, bis er den Wald erreicht hatte, und allen anderen Menschen von jetzt an aus dem Weg zu gehen. Noch mehr Tote konnte er nämlich nicht tragen.
 
    Auch das Tannenverlies hatte sich im Laufe der Jahre verändert. Es wirkte noch dunkler und bedrohlicher als früher. Dies war beileibe kein Ort, durch den man nachts alleine lief, es sei denn, man war ein Oger. Die meisten der Menschen, die Mogda im Laufe der Jahre kennen gelernt hatte, fürchteten sich vor solchen Orten und versuchten, sie zu meiden. Doch es waren nicht die Orte an sich, die sie fürchteten. Im Grunde genommen fürchteten sie sich vor Wesen wie Mogda, denn genau diese fand man an solchen dunklen Plätzen.
    Mogda bereitete der nächtliche Spaziergang kein Unbehagen, denn ihm fiel kein Wesen ein, das ihn hätte erschrecken können und dabei auch noch genug Platz fand, sich hinter einem Baum zu verstecken. Trotzdem versuchte er, so leise wie möglich zu sein. Allein der Gedanke daran, dass jemand in seiner Nähe sein könnte und er gezwungen wäre zu erklären, warum er nachts durch das Tannenverlies schlich und ein totes Schwein und einen toten Bauern mit sich schleppte, ließ ihn absolute Vorsicht walten.
    Nokrat hatte Mogda erzählt, dass Gnunt in diesem Wald in einem verlassenen Turm hauste. Das Tannenverlies war riesig, aber Türme gab es nur einen - der Turm von Meister Trebor. Mogda hatte den Magier selbst begraben und sich dessen Amulett umgelegt, das ihm Intelligenz verlieh. Seit diesem Tag war für ihn alles anders geworden, und jeder hatte erklärt, dass es sein Schicksal gewesen sei. Mogda musste zu Gnunt. Er war ihm die Nachricht schuldig, dass diese Barbaren hinter ihm her waren und den schwarzen Splitter suchten. Schließlich besaß Gnunt den Kristall nur, weil er, Mogda, ihn ihm gegeben hatte. Er würde Gnunt warnen und dann weiterziehen.
    Mogda war bis zum frühen Morgen unterwegs. Seine Schultern schmerzten von dem ständigen Gewicht. Der Sonnenaufgang lag bereits zwei Stunden zurück, aber immer noch schafften es die Strahlen nicht, durch das Dickicht der Bäume zu dringen und den Waldboden zu erhellen. Mogda musste bereits in der Nähe des alten, zerfallenen Zaubererturmes sein. Der typisch modrige Geruch des Tannenverlieses wurde langsam überlagert von Gräserduft und dem Aroma frischer grüner Triebe. An diesem Ort war es besser, seiner Nase zu folgen, denn alle anderen Sinne schienen wie betäubt. Als Mogda die ersten hellen Flecken zwischen den uralten Baumstämmen hindurchblitzen sah, wusste er, dass er richtig war.
    Er hoffte, Gnunt dort zu finden, doch er wusste auch, dass falsche Hoffnungen schnell ins Verderben führen konnten. Womöglich lebten mittlerweile andere Menschen hier, und Gnunt war ganz woanders. Aber selbst wenn er hier lebte, war Vorsicht geboten. Der etwas tollpatschig und oft kindlich wirkende Oger war anders als die übrigen seines Volkes. Vielleicht würde er Mogda nicht einmal mehr wiedererkennen. Behutsam bog Mogda die letzten schützenden Zweige zwischen sich und der Lichtung zurück und beobachtete das vom dunklen Wald verschonte Gebiet - es weckte Erinnerungen in ihm.
    Das Gras war hochgewachsen und bot den meisten Bewohnern des Waldes genügend Deckung, um sich dem alten verlassenen Turm ungesehen zu nähern. Mogda gehörte nicht zu ihnen. Aus vergangenen Tagen wusste er, dass noch nicht einmal ein Maisfeld in voller Reife genug Versteckmöglichkeiten für einen Oger bereithielt. Wo er entlangging, entstand eine Schneise, und wo er sich hinhockte, eine Bresche.
    Der Turm von Meister Trebor hatte im Laufe der Jahre eine grundlegende Wandlung erlebt. Das Gebäude war einst die noble, wenn auch einsame Unterkunft eines Zauberers gewesen. Nach seinem tragischen Tod verwitterte der Turm immer mehr. Das Dach wurde undicht und das Gebälk morsch. Irgendwann hatte es nachgegeben und war in den Turm gestürzt. Tür und Fenster brachen heraus. Mittlerweile hatte der Wald den Turm zurückerobert und beanspruchte mit Efeuranken und Holundertrieben einen großen Teil des menschlichen Bauwerks.
    Mogda zuckte regelrecht zusammen, als plötzlich Gnunt aus dem Inneren des Turmes hervortrat. Er zwängte sich durch die Öffnung der Tür und räkelte sich. In der Hand hielt er eine zehn Fuß lange Eisenstange, die leicht gekrümmt war; anscheinend handelte es

Weitere Kostenlose Bücher