Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
Vom Netzwerk:
Sohn, der mit etwas Glück einen halben Zentner auf die Waage brachte, nichts ändern.
    Dies war endlich eine Gelegenheit, den Menschen wieder etwas näherzukommen, auch wenn es sich nur um eine Bauernfamilie handelte. Die vergangenen Enttäuschungen durch die Menschen hafteten tief in Mogda. Es wurde Zeit, einmal die andere Seite der Hüttenbauer kennen zu lernen.
    Mogda stand auf, schulterte wieder den im Bärenfell eingerollten Usil und näherte sich der Familie. Er versuchte, alles ogertypische in seinem Verhalten abzulegen. Er war nicht laut, er brüllte nicht herum, er versuchte, sich nicht anzupirschen, er ging so unauffällig wie möglich und so auffällig wie nötig auf den Wagen zu. Leider waren seine Bemühungen vollkommen umsonst: Er wurde nicht bemerkt. Ein Umstand, der ihn vor Jahren noch in Verzücken versetzt hätte, doch wenn es darum ging, eine arme Bauernfamilie nicht zu Tode zu erschrecken, war es problematisch. Mogda tat das, was ihm am sinnvollsten erschien.
    »Kann ich euch helfen?«, fragte er mit einem kleinlauten Unterton in der Stimme.
    Diese einfache Frage tat ihre Wirkung, leider nicht die gewünschte. Fast gleichzeitig brach bei allen Lebewesen in der unmittelbaren Umgebung Mogdas die Panik aus. Der Bauer fing an, aufgeregt mit den Armen zu gestikulieren und laut zu brüllen. Der Junge lief schreiend zu seiner Mutter, die das weinende Kind im Arm hielt und - selbst kreischend - hinter der Plane hervorlugte. Der Hund bellte, der Esel schrie, das Pferd wieherte, und das Schwein quiekte aufgeregt. Mogda glaubte, sogar einige schlafende Vögel aus dem Unterholz gescheucht zu haben, die sich flatternd in den Nachthimmel erhoben.
    Ihm blieb gar nichts anderes übrig, als wieder einen Schritt zurückzumachen. Alle Erklärungsversuche von ihm wurden im Gebrüll und Gekreische erstickt. Einer Eingebung folgend, hockte er sich hin. Manchmal war es gut, auf Augenhöhe mit seinen Gesprächspartnern zu sein, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Bei Goblins hatte das oft geholfen, auch wenn es ausgesprochen unbequem war. Diesmal hatte es leider nur den Effekt, dass der Bauer ihn in einem Anflug von Selbstlosigkeit den Stiel einer Schaufel ins Gesicht schlug. Menschen hin oder her, Mogda wollte sich nicht durch übertriebene Rücksichtnahme von ihnen erschlagen lassen. Er ergriff den Schaufelstiel und zerbrach ihn zwischen Daumen und Zeigefinger. Der Bauer stürzte zu Boden und versuchte, auf allen vieren davonzukrabbeln. Mogda packte ihn am Fußgelenk und hob ihn hoch.
    Schlagartig war die Panik vorbei. Entsetzt starrte ihn der Rest der Familie an, selbst das schreiende Kind war plötzlich ruhig, als spüre es den vermeintlichen Ernst der Lage.
    »Ich wollte nur helfen«, brummte Mogda, obwohl er lieber gebrüllt hätte.
    »Töte mich nicht«, jammerte der Bauer und hing dabei kopfüber vor Mogdas Gesicht.
    Der Oger fragte sich, mit welcher Geste er bei der Familie die Angst davor, getötet zu werden, ausgelöst haben könnte. An den Worten »Kann ich helfen?« konnte es unmöglich gelegen haben. Er probierte es noch einmal auf die ruhige Art.
    »Ich will euch nur helfen, das Rad zu wechseln. Warum sollte ich euch umbringen wollen?«
    Mogda ließ den Bauern wieder zu Boden sinken und rückte ein Stück zurück.
    »Du bist ein Oger«, waren die einzigen Worte des Bauern.
    »Gut, dass du das sagst«, lächelte Mogda. »Ich hatte schon Angst, ich hätte mich in den Bergen in einen Eisbären verwandelt.«
    »Du kommst aus den Bergen?«
    »Interessiert dich das wirklich?«, brummte Mogda.
    Ängstlich schüttelte der Bauer den Kopf.
    »Schade«, erwiderte Mogda. »Trotzdem würde ich euch gern helfen. Ich halte den Wagen hoch, und ihr repariert das Rad. Was hältst du davon?«
    Der Bauer schaute verschämt auf das gebrochene Rad, dann wieder zurück zu dem Oger. Schließlich nickte er zaghaft. Das anfänglich lautstarke Verhalten der Familie hatte sich in Stillschweigen verwandelt. Mogda begrüßte diesen Umstand und hoffte auf ein einfaches »Danke« nach getaner Arbeit. Zuerst jedoch galt es, etwas Hand anzulegen und seinen guten Willen zu beweisen.
    Langsam gewann Mogda sein Vertrauen in die Menschen zurück. Die Frau hatte sich mit den beiden Kindern in den Wagen zurückgezogen, während Mogda den Karren an der Deichsel gepackt hatte und ihn nun anhob. Der Bauer verlor keine Zeit und löste das Rad. Er legte es neben den Wagen und entfernte den Metallreif, der um das Holz gespannt war. Äußerst geschickt

Weitere Kostenlose Bücher