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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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zu haben. Vielleicht waren sie aber auch an Nokrat gescheitert. Doch um sicherzugehen, hätte er sich gewünscht, noch bei Sonnenlicht einen Blick auf das Hinterland werfen zu können.
    Als Mogda endlich die Gelegenheit hatte, sich umzudrehen, um seinen zurückgelegten Weg zu bestaunen, war es bereits so dunkel, dass sich im Tal unter ihm ein ganzes Heer hätte verstecken können. Seinen Augen fiel es nach all den Tagen immer noch schwer, sich von den hellen Nächten in den schneebedeckten Bergen auf die rabenschwarzen Nächte in Nelbor umzustellen. Nach einer Weile gab Mogda auf, nach verräterischen Bewegungen im Schwarz zu suchen. Niemand wäre so dumm, den Sumpf bei Nacht zu passieren, und auch die andere Seite, das Gebiet um das Tannenverlies, wurde nach Einbruch der Dunkelheit besser gemieden. Umso mehr wunderte Mogda sich über das Licht einer schwankenden Laterne, das er am Fuß des Passes auf der nelborianischen Seite gewahrte. Es bewegte sich langsam von Ost nach West auf das Tannenverlies zu.
    Mogda war klar, dass er Nelbor nicht betreten konnte, ohne unweigerlich irgendwann auf Menschen zu stoßen. Ihm wäre es allerdings lieber gewesen, dieses Ereignis hätte noch etwas gedauert. Außerdem schienen ihm Fremde, die abseits aller Wege und mitten in der Nacht in der Nähe des Tannenverlieses unterwegs waren, irgendwie unheimlich. Es sei denn, es handelte sich um Oger. Normalerweise gehörte Neugier nicht zu den typischen Eigenschaften eines solchen, es sei denn, es ging darum, wie etwas schmeckte. Mogda war allerdings kein typischer Oger. Wie ein Insekt, das vom Licht in der Nacht angezogen wurde, folgte er der Laterne. Um sich selbst über sein befremdliches Verhalten hinwegzutäuschen, redete er sich ein, dass es genau in seiner Richtung unterwegs wäre.
    Wem auch immer Mogda folgte, er machte sich keine Gedanken über die nächtlichen Gefahren. Im Licht der Laterne war schemenhaft ein Wagen zu erkennen. Töpfe und Pfannen schlugen aneinander und erzeugten eine Geräuschkulisse, wie sie zwei Ritter in Plattenpanzern auf einem Turnier nicht hätten klangvoller ertönen lassen können.
    Mogda trottete immer weiter dem Licht hinterher. Er bemühte sich nicht, es einzuholen, aber er fiel auch nicht zurück. Sein Abstand zu dem Wagen war so gewählt, dass er seine Neugier stillen, aber sein Schwert stecken lassen konnte.
    Irgendwann machte der Wagen Halt, und auch Mogda blieb stehen. Die Laterne wackelte noch zwei, drei Mal hin und her, kam dann aber zur Ruhe. Vom Kutschbock sprangen zwei Menschen herunter, und irgendwo aus dieser Richtung hörte man Kinderweinen. Leise erklang die gesummte Melodie einer Frau, die versuchte, das Kind zu beruhigen - mit wenig Erfolg. Mogdas Bedenken den Fremden gegenüber schwanden langsam. Selbst seine finstersten Gedanken konnten kein Bild einer Bedrohung formen, in dem weinende Kinder und singende Mütter vorkamen. Mogda entschloss sich, etwas näher heranzugehen.
    Ein Mann in bäuerlicher Kleidung und mit einer formlosen Kopfbedeckung, die nur noch entfernt an einen Hut erinnerte, nahm die Laterne vom Wagen und beleuchtete den Karren von allen Seiten. Auf Schritt und Tritt folgte ihm ein Junge von ungefähr acht Jahren, dem man seine Erschöpfung und Freudlosigkeit beim Zu-Hilfe-Gehen des Mannes schon von Weitem ansah. Vor dem Karren waren ein Pferd und ein Muli eingespannt. Am Heck des Wagens waren ein Schwein und ein Hund angebunden.
    »Prios hab Mitleid«, schrie der Mann und trat gegen eines der hölzernen Wagenräder.
    Augenscheinlich war eines der Räder gebrochen. Der Wagen stand etwas schief, und durch das hektische Rütteln des Mannes wippte er hin und her.
    »Joklu, lass das, die Kleine«, ermahnte ihn eine sanfte Frauenstimme hinter der gespannten Plane.
    »Wenn du mir sagst, wie ich den Wagen aufbocken soll, ohne ihn zu berühren, wäre ich dir dankbar, Iseth. Aber solange ich mir den Rücken brechen muss, um das Rad zu wechseln, wirst du dich damit abfinden müssen, dass es ein wenig wackelt.«
    Der Bauer stemmte sich gegen die Wagenwand und versuchte, das gebrochene Rad zu entlasten - ohne Erfolg. Mogda fragte sich, was der Mann erwartet hatte, als er seinen gerade mal hundertfünfzig Pfund schweren Körper gegen die Spriegel presste.
    »Was stehst du so rum?«, schnauzte der Bauer den Jungen an. »Hilf mir.«
    Mogda spürte den Drang, dem Hüttenbauer zu sagen, dass seine Kraft und sein Gewicht nicht ausreichten, um den Wagen anzuheben. Daran würde auch sein

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