Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
Reihe von weiteren Fragen auftauche würde, auf die er auch keine Antwort hatte. Deswegen unterließ Mogda es schlicht, etwas zu sagen. Sie würden einfach vorsichtig sein und darauf hoffen, dass niemand in die kleine Hütte passte, der sie mit einem Biss verschlingen konnte. Vorsichtshalber zog Mogda aber dennoch sein Schwert.
Die beiden Oger umrundeten die Lichtung, bis sie zur halb verfallenen Scheune gelangten. Das Schnaufen eines einzelnen Pferdes verriet ihnen, dass sich wahrscheinlich nur eine Person in der Hütte aufhielt. Das Tier witterte die beiden Oger schon von Weitem und stampfte aufgeregt in seinem Gatter umher.
»Wir gehen hinüber zum Haus und versuchen, ihn zu überraschen«, flüsterte Mogda.
Einvernehmlich brummte Gnunt. Das mit dem Schleichen war von jeher ein Problem für Oger. Bei jedem Schritt fand sich irgendein poröser Stein oder Ast, der unter dem Gewicht eines Ogerfußes knirschend zerbrach. Auch das Pferd im Stall wollte sich nicht wieder beruhigen, und wenn es gewusst hätte, was Mogda und Gnunt am liebsten aßen, hätte es sicherlich noch mehr Lärm veranstaltet.
»Wir müssen ihn überraschen, damit er keine Gelegenheit hat, uns anzugreifen«, flüsterte Mogda, kaum leiser als ihre Anpirschversuche.
An der Hauswand angekommen, legte er Usil ab und ging in die Hocke. Tief gebückt kroch er unter dem Fenster entlang, immer noch mit dem Runenschwert in der Hand. Gnunt tat es ihm gleich und zog holpernd seine Keule hinter sich her. Mogda hatte den Eingang erreicht. Er versicherte sich, dass Gnunt ebenfalls bereit war. Mit Entsetzen stellte er fest, dass sein Kollege sich vor das Fenster gehockt, die Hände an die Scheibe gepresst hatte und ins Innere der Hütte glotzte. Mogda musste handeln, bevor er das Spannen einer Armbrust hörte oder das Murmeln eines Zauberspruches.
Der Eingang zu diesem wie auch zu jedem anderen Haus in Nelbor gestattete es einem Oger aufgrund seiner Größe nicht, einfach so hereinzuplatzen. Er konnte also nur jemanden überwältigen, der noch in Reichweite eines Armes hinter der Tür stand. Deshalb musste es reichen, ihn so einzuschüchtern, dass man genügend Zeit gewann, um ins Innere zu gelangen.
Mogda schlug gegen die Tür. Das morsche Holz verkraftete die brutale Gewalt des Ogers nicht, aber anstatt aufzuspringen oder gar aus den Angeln zu reißen, durchschlug Mogdas Faust zwei der Bretter, und er blieb mit seinem Arm hängen. Er hieb den Arm gen Boden, um sich von den Türresten um sein Handgelenk zu befreien. Die Schalung der Tür splitterte auseinander und verteilte sich über den Boden. Im selben Augenblick schlug jemand mit etwas Metallischem auf seinen hervorstehenden Daumen.
Mogda brüllte auf. Wütend preschte er vorwärts, blieb aber mit seinen breiten Schultern im Türrahmen hängen. Die ganze Hütte wackelte und drohte einzustürzen. Noch bevor er sich seitwärtsdrehen konnte, um sich aus der misslichen Lage zu befreien, legte sich etwas wie ein klebriges Tuch über sein Gesicht und die Hälfte der Wand. Eins seiner Augen war vollkommen verklebt, und durch das andere sah er wie durch einen Nebelschleier zwei Gestalten. Die pappige Masse hielt Mogda fest, und auch mit seinem freien Arm konnte er das Gespinst nicht von seinem Gesicht reißen. Ein zweiter Schlag traf ihn auf der Nase - Mogda erkannte jetzt, dass es sich um eine Schaufel handelte, mit der man da auf ihn eindrosch. Tränen stiegen ihm in die Augen, aber er wusste, wenn er jetzt aufgab, waren er und Gnunt verloren.
»Fein Hefe aus Osberg«, hörte er Gnunt rufen.
Der Hüne kannte Cindiel von der Jagd nach Eliah. Trotz ihrer ungewöhnlichen Verkleidung als Stalljunge hatte er sie wiedererkannt.
Mogda hörte auf zu versuchen, sich das Gespinst aus dem Gesicht zu zupfen. Vielmehr hatte er es bisher nur so weit gebracht, dass seine Hand an seinem Ohr festklebte. Sein Gegenüber schien die Situation nicht so entspannt zu sehen und verpasste ihm einen weiteren Schlag mit der Schaufel, diesmal auf den Wangenknochen.
»Hör damit auf, Hagrim«, schrie Cindiel. »Das ist Mogda.«
»Das ist mir nicht entgangen, Prinzessin. Ein Gesicht so groß wie ein Pferdehintern kann man nicht vergessen oder verfehlen. Ich wollte nur sichergehen, dass er sich auch an uns erinnert.«
Mogda erkannte die Stimme des Geschichtenerzählers. Hagrim hatte schon immer einen merkwürdigen Humor und eine unvergleichbare Schlagfertigkeit gehabt. Dass er auch schlagkräftig war, hatte der Alte soeben unter
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