Blutiges Echo (German Edition)
immer noch verschnürt, und sein Mund stand sperrangelweit offen; seine Zunge, schwarz wie Teer, ragte heraus wie ein Tierchen, das den Kopf aus der Höhle streckt.
Wenigstens stank er nicht mehr.
Zitternd schloss Harry den Deckel der Tiefkühltruhe.
»Ach du Scheiße«, stieß Kayla hervor.
»Wenn man den bei uns in der Kühltruhe entdeckt«, sagte Harry, »macht das keinen so guten Eindruck, oder?«
»Großer Gott. Das war Joey!«
»Jepp.«
»Scheiße. Weißt du was, abgesehen von der Zunge und den Eiszapfen und so sieht er eigentlich noch genauso aus wie früher.«
»Und dann wäre da noch der Umstand, dass er tot ist.«
»Ich weiß, dass ihr immer noch Freunde wart. Das muss ziemlich schwer für dich sein. O Mann. Es tut mir so leid.«
»Ehrlich gesagt stand es mit unserer Freundschaft nicht gerade zum Besten, und jetzt wissen wir immerhin, dass sie auch nie mehr gekittet wird.«
»Scheiße«, wiederholte Kayla.
»Das klingt jetzt vielleicht unangebracht«, sagte Tad, der gerade die Waschküche betrat, wo die Truhe stand, »aber wenn ihr das Stinktier fertig begafft habt, will dann einer von euch was trinken?«
»Das ist nicht besonders nett«, sagte Kayla.
»Tot oder lebendig«, gab Tad zurück, »er war ein verdammtes Stinktier. Also, was zu trinken?«
Als sie im Wohnzimmer saßen und Cola light tranken – beziehungsweise Kaffee, soweit es Tad betraf –, sagte er: »Eigentlich könnten wir den Wichser begraben. Wir nehmen ihn einfach tief mit in den Wald und verbuddeln seinen Arsch in der Erde. Das könnte hinhauen. Wisst ihr, als damals die Raumfähre über East Texas explodiert ist und sie drüben in Nacogdoches County nach Trümmerteilen und den Leichen dieser armen Astronauten gesucht haben, haben sie fünf oder sechs Leichen gefunden, die keine Astronauten waren. Falls nicht noch eine Raumfähre vom Himmel fällt, können wir diesen kleinen Scheißer irgendwo unter ein bisschen Erde und Laub verscharren und sind ihn bis ungefähr in alle Ewigkeit los.«
»Joey war ziemlich ätzend«, sagte Harry, »und wahrscheinlich bin ich so sauer auf ihn, dass ich gar nicht mehr weiß, dass ich überhaupt sauer bin. – Ich meine, ich weiß auch nicht genau, was ich jetzt denken soll. Aber vielleicht solltest du den armen ermordeten Kerl nicht als Scheißer oder Stinktier bezeichnen, während er da drüben tot herumliegt und tiefgefroren wird.«
»Wie du meinst, Kleiner. Er war dein Stinktier, also mach, was du willst. Abgesehen davon wird es ihn wohl kaum kränken.«
»Das ist echt gemein, Tad«, sagte Kayla.
»Ich nenn das Kind ja nur beim Namen.«
»Was mache ich denn jetzt?«, fragte Harry. »Ich stecke ganz schön in der Klemme.«
»Was machen du und ich jetzt?«, verbesserte Tad. »So wie ich das sehe, stecken wir da zusammen drin, Kleiner.«
»Was machen wir ?«, korrigierte Kayla. »Wir sitzen alle im selben Boot.«
»Das ist ja das reinste Musketier-Treffen hier«, sagte Tad.
»Danke, dass du hergekommen bist«, sagte Harry zu Kayla.
»Wahrscheinlich sollte ich mich dafür bedanken, dass ihr an mich gedacht habt«, sagte sie.
»Wir haben dich dazugeholt, weil wir dir vertrauen.«
»Eigentlich«, sagte Tad, »ist die Liste damit auch erschöpft. Mit uns dreien. Das Problem ist, dass die Bullen, Anwesende ausgeschlossen, ihre Finger im Spiel haben. Sie wissen, dass der Kleine hier so eine Art Fernsehempfänger in der Birne hat und Werbespots für die Vergangenheit sieht. Das bringt Harry, wie er bereits festgestellt hat, mit dem Schniedel in die Klemme. Dieser Polizeichef ist ein verdammter Mörder, genau wie der Typ mit der Narbe. Also, was machen wir jetzt?«
»Es wäre wohl keine sonderlich gute Idee, das Ganze der Polizei zu erzählen«, sagte Kayla. »Selbst wenn ihr die Angelegenheit am Chief und dem Sergeant vorbeibekommt, bleibt da immer noch diese ärgerliche Geräuschnummer, Harry. Die ganzen Beweise gibt es nur in deinem Kopf. Und die Leiche, Tad, befindet sich in deiner Kühltruhe.«
»Das ist nicht ganz optimal«, räumte Tad ein.
»Am Anfang hab ich nicht richtig kapiert«, sagte Kayla, »was das Ganze mit meinem Vater zu tun hat. Aber jetzt … tja, es ist nicht sehr erfreulich und wirft auch kein besonders gutes Licht auf ihn, aber so langsam blicke ich durch.«
»Dann klär uns doch bitte mal auf«, sagte Harry. »Ich bin derjenige, der all diesen Kram in seinem Kopf sieht, und ich begreife von dieser ganzen Geschichte ungefähr so viel wie von höherer
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