Blutiges Echo (German Edition)
Kabel von Joeys Hals, und Joey keuchte schwer. Dann griff sich der Polizeichef einen Stuhl und ging zur Mitte des Zimmers. Unter seinem Mantel holte er eine Pistole hervor, stieg auf den Stuhl und schlug die Birnen aus der Lampe. Gemeinsam schleiften sie Joey herüber. Wieder stieg der Chief auf den Stuhl und schlang das Kabel um die Lampe, dann hoben sie Joey hoch, wanden das andere Ende um seinen Hals und ließen ihn los. Joey drehte sich wild im Kreis; er konnte nicht einmal um sich treten, so wie seine Beine gefesselt waren. Seine Füße zappelten an seinem Rücken wie kleine Flossen, dann begann das Bild zu verblassen und mit ihm Joeys Schmerz …
Und jetzt wurde Harry bewusst, dass er auf dem Fußboden saß, genau neben Joey, und er schaute zu der Leiche hoch, die sich nach seiner Berührung immer noch leicht drehte.
Das Leben war für Joey am Ende genauso beschissen gelaufen, wie er es vorausgesehen hatte.
Harry rappelte sich auf. Sein ganzer Körper war von Joeys Angst erschüttert, dem Zorn, dem Hass, der Widerwärtigkeit des Polizeichefs und des Sergeants – der gottverdammten Polizei selbst.
Herr im Himmel. Die perfekte Tarnung für einen Mörder.
»Was mach ich denn jetzt bloß?«
Harry saß am Fuß der Außentreppe und telefonierte mit Tad, der noch nicht ganz wach war.
»Scheiße, Harry. Du musst es der Polizei erzählen.«
»Die Polizei hat ihn doch umgebracht! Hast du sie nicht mehr alle?«
»Ich weiß. Aber du kannst ja nicht einfach abhauen. Wenn du das tust, stehst du noch schlechter da.«
»Ach, ehrlich!«
»Entspann dich, Harry.«
»Entspannen? Joey baumelt von meiner gottverdammten Lampe, und ich soll mich entspannen? Ich fühle mich hier draußen total schutzlos. Sie könnten wiederkommen. Wahrscheinlich haben sie auf mich gewartet. Der Sergeant hat mich schließlich damals befragt. Er wusste, dass ich die Wahrheit gesagt habe, Tad. Weil nämlich er und der Polizeichef Vincent umgebracht haben. Der Sergeant hat jetzt eine Narbe. Deswegen kam er mir so bekannt vor, als ich ihn in der Vision gesehen habe. Damals hatte er die Narbe noch nicht. Jetzt aber schon. Er und der Polizeichef sind ins Grübeln gekommen und haben beschlossen, sich den letzten Störfaktor vom Hals zu schaffen. Meine Geräuschgeschichte mag zwar kaum zu beweisen sein. Sie könnten mich auch einfach für verrückt erklären. Aber tot – das ist eine richtig saubere Lösung.
Wahrscheinlich haben sie Joey umgebracht, weil sie auf mich gewartet haben. Sie konnten ihn nicht laufen lassen, schließlich hatte er ihre Gesichter gesehen. Also haben sie ihn ermordet. Vielleicht auch als Warnung für mich. Scheiße … nein. Ich sag dir, warum sie’s getan haben. Weil es ihnen nichts ausmacht. War ja nicht das erste Mal. Sie machen das gern, Tad. Und jetzt sieht es so aus, als wäre ich es gewesen.«
»Also gut. Wir machen Folgendes. Wir holen die Polizei. Und zwar Kayla. Kannst du mit ihr sprechen?«
»Sie ist gerade bei der Arbeit. Ich wüsste nicht, wie ich sie erreichen soll, ohne dass es verdächtig wirkt. Wenn ich sie anrufe, könnte sie Probleme kriegen.«
»Das Handy läuft auf meinen Namen, wenn das später mal jemand überprüfen sollte. Vergiss es, Kleiner. Leg auf. Ich komme zu dir. Wir kümmern uns darum. Auch wenn’s dir schwerfällt, schlage ich dir vor, zurück in die Wohnung zu gehen, die Tür zuzumachen und auf mich zu warten. Hast du eine Knarre?«
»Nein.«
»Ist wohl auch besser so. Du würdest dir nur den Schniedel wegballern. Geh rein und schließ die Tür ab.«
»Die hatte ich abgeschlossen, als ich gegangen war. Als ich wiederkam, stand sie offen. Von Schlössern lassen die sich nicht aufhalten, Tad. Außerdem glaube ich nicht, dass das Schloss noch funktioniert.«
»Geh hinters Haus und warte da. Ich bin sofort bei dir.«
»Und dann?«
»Dann beseitigen wir die Leiche.«
»O Scheiße. Das wird mich noch tiefer in die Kacke reiten.«
»Kleiner, du steckst ohnehin schon bis zu den Ohren drin. Das Einzige, was uns jetzt übrig bleibt, ist, so tief zu graben, bis wir auf der anderen Seite wieder rauskommen.«
»Dann hängst du mit drin, weißt du das?«
»Wozu zur Hölle sind Freunde da? Vielleicht will ich mir ja irgendwann mal Geld von dir leihen.«
Kapitel 53
An seiner Nase hingen Eiszapfen. Seine Augen waren, obwohl sie offen standen, von einer Eisschicht überzogen. Seine Oberlippe, auf der Schnodder geklebt hatte, glänzte jetzt wie mit Zucker glasiert. Hände und Beine waren
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