Blutiges Echo (German Edition)
tastete nach dem Lichtschalter und legte ihn um.
Nichts geschah.
Joey. Verdammt noch mal. Joey hatte vorbeikommen wollen, und er hatte es vergessen. Kein Grund zur Panik, aber irgendwie tat es ihm leid, dass er den Trottel versetzt hatte. Allerdings nicht übermäßig, wenn er bedachte, wie seine Nacht stattdessen verlaufen war.
Dann sah er einen Schatten von der Decke baumeln, wo sich die Lampe befand. Er drückte die Tür weiter auf, damit das Licht von der Straße ins Zimmer fiel.
Die Lampe hatte sich aus der Verankerung gelöst, sodass sie ungefähr dreißig Zentimeter unterhalb der Decke an einem nackten Kabel hing. Alle Glühbirnen waren aus den Fassungen geschlagen, und von der Lampenvorrichtung selbst hing an einem Kabel Joey. Eigentlich hätten seine Füße den Boden berühren müssen, aber die Beine waren ihm hinter dem Rücken hochgebogen und gefesselt worden. Seine Knie schwangen keine drei Zentimeter über dem Fußboden. Kopf und Schultern waren mit Deckenputz bestäubt. Das Zimmer stank nach Scheiße. Joey hatte sich im Tode entleert.
Langsam ging Harry auf ihn zu, wobei seine Knie jeden Moment unter ihm nachzugeben drohten. Hoffnungsvoll streckte er die Hand nach Joey aus. Aber sobald seine Finger ihn streiften, wusste er, dass er tot war. Durch die Berührung geriet die Leiche an dem Kabel, das von der Lampe zu Joeys Hals führte, ins Kreiseln. Die Lampe quietschte, und es blitzte …
… und aus dem Blitz kam ein schwarzer Fleck, und der schwarze Fleck wurde größer, und es erschienen Gestalten darin, und dann war der Fleck verschwunden, und in Harrys dunkler Wohnung standen der Polizeichef und der andere Mann, und jetzt wusste er auch, wer dieser andere Mann war, weil er die Narbe sah. Der Sergeant. Er war auch bei den anderen Gelegenheiten dabei gewesen, aber da hatte er die Narbe noch nicht gehabt. Deswegen war Harry der Mann aus den Visionen draußen auf dem Bumshügel zwar bekannt vorgekommen, doch ohne die Narbe hatte er ihn nicht identifizieren können. Die hatte er sich erst später zugezogen. Der Sergeant war derjenige, der den Schwarzen auf dem Fahrersitz erschossen hatte, und danach war wahrscheinlich er bei der Frau an der Reihe gewesen.
Die beiden Männer betrachteten Joey, wie er da hing. Joey war immer noch am Leben. Er wand sich. Warf sich hin und her. Noch war die Lampe an der Decke befestigt, aber allmählich löste sie sich. Joeys Körper durchlief ein Zittern, als wollte er aus seiner Haut fahren, und seine Angst war im Zimmer greifbar wie ein klebriges Tuch. Und in diesem einen Blitz spürte Harry jede kleine Bösartigkeit, die Joey je widerfahren war. Das hatte Harry bisher nie erlebt, aber diesmal fiel es von allen Seiten über ihn her. Jedes Mal, wenn Joey eine Ohrfeige verpasst oder beschimpft worden war – all diese Szenen überfluteten ihn in einer Woge aus Stimmen und Bildern, die ihn in die Knie zwangen.
Die Bilder verschwammen zu einem schwarzen Wirbel, und dann waren sie verschwunden. Zurück blieb Harry, der auf das Ergebnis starrte. Ein sehr toter Joey, dem die Zunge aus dem Mund hing, den Kopf ein bisschen zu weit gedreht. Der Geruch nach Scheiße war so intensiv, als steckte er in den Wänden.
Harry kam mühsam auf die Füße, Schweiß strömte ihm übers Gesicht, das Herz pochte ihm in der Brust. Er sah sich im Zimmer um. Das Sofa war verrückt worden. Harry holte tief Luft, trat kräftig gegen das Sofa und ließ gleichzeitig Joey an dem Kabel rotieren.
Es quietschte und knarzte, und daraus schoss Angst in leuchtenden Mustern hervor, und Bilder formten sich.
… Joey, der gegen das Sofa taumelte, während zwei Männer auf ihn einprügelten. Einer von ihnen, der mit der Narbe, hielt ihm die Beine fest. Sie rollten ihn auf die Seite. Der Sergeant fesselte Joey mit einer Schnur die Füße auf den Rücken, dann band er ihm die Hände an die Knöchel.
Während Joey so auf den Knien lag, trat der Polizeichef hinter ihn und legte ihm eine zweite Schnur oder eine Art Kabel um den Hals, zog es straff und erdrosselte ihn. Mit dem Knie in Joeys Kreuz schaute er kurz auf, hielt inne, hob langsam den Kopf und betrachtete die Deckenlampe. Er begann zu lächeln.
Plötzlich verlor sein Gesicht den großväterlichen Ausdruck und verwandelte sich völlig. Seine Augen rollten nach innen wie bei einem Hai kurz vorm Angriff. Seine Lippen wurden schmal, und die Adern an seinem Hals traten hervor wie Seile. Er sah aus, als hätte er gleich einen Samenerguss.
Er löste das
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