Blutiges Echo (German Edition)
Affen, dann kamen die Beine, gar nicht besonders hoch und auch nie in irgendeiner abgezirkelten Tretbewegung, sondern lediglich schnell und leicht; seine Hüften gingen mit, sein Körper glitt nur so dahin. Und selbst wenn Tad diese ganzen Bewegungen mit Armen, Beinen und Hüfte machte, schien er sich nie aus dem Gewebe der Nacht zu lösen, dem Gewebe der Zeit. Alles war eins, er und das gute alte Universum.
Es sah einfach cool aus.
Und es geschah noch etwas.
Etwas Schönes.
Im Laufe der Woche merkte Harry allmählich, dass er nicht mehr so ängstlich war wie früher. Er fiel immer noch in die Kategorie Hochgradige Hasenfüße , aber er rangierte nicht mehr unter den schlimmsten Hosenschissern. Das war immerhin eine winzige Verbesserung.
Natürlich gab er seine bewährten Pfade nicht auf. Bei denen blieb er. Aber er dachte nicht mehr die ganze Zeit über die versteckten Geräusche nach.
Er stellte sogar fest, dass er sich sicherer bewegte. Auf dem Weg zum Unterricht oder beim Herumlaufen im Buchladen fühlte er sich einfach besser. Vielleicht, dachte er, bildete er sich das alles nur ein, aber selbst wenn es Quatsch war, war es immer noch besser als die Alternative.
Die Geräusche, mit ihren tiefen Brunnenschächten voller Erinnerungen.
Kapitel 27
»Ich wollte dir nicht auf den Schlips treten«, sagte Joey.
»Tut mir leid, dass ich so sauer geworden bin«, sagte Harry. »Irgendwie.«
»Ich wollte doch bloß verhindern, dass dir jemand wehtut.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher, Joey.«
»Hör mal, ich hab ein Versöhnungsgeschenk mitgebracht.«
Joey stand auf der kleinen Veranda, die von der Lampe erhellt wurde. Insekten schwirrten über ihm und um die Birne herum und bildeten einen kleinen Chitin-Heiligenschein über seinem Kopf. Das Versöhnungsgeschenk bestand aus einer verknitterten Papiertüte mit einer Flasche darin. Ihr Hals ragte oben aus der Tüte. Joey sah verschwitzt aus, obwohl es kalt draußen war. Harry wusste, dass er einen ziemlichen Weg zurückgelegt hatte – erst von seiner Wohnung zum Schnapsladen, dann hierher. So gelangte er normalerweise von einem Ort zum anderen: zu Fuß. Erst recht seit sein Auto kürzlich in der Schrottpresse gelandet und zu einer Werkzeugkiste oder so recycelt worden war.
Vielleicht will er deswegen wieder mein Freund sein, dachte Harry. Damit ihn jemand fährt. Sähe der alten Schweinebacke ähnlich.
Joey machte einen Schritt auf die Tür zu, aber es gab kein Durchkommen. Harry verstellte ihm den Weg, und zwar mit Absicht – damit Joey sich nicht vorbeidrängen konnte. Das war nämlich so seine Art. Als hätte man eine Ratte vor einem Kühlschrank in die Ecke getrieben, um gleich darauf festzustellen, dass sie urplötzlich abmagerte, unten durch das Lamellengitter schlüpfte und hinten wieder rausflitzte. Genau so einer war Joey. Wie eine Ratte, die sich dünn machte. Wenn man nicht aufpasste, kam er an einem vorbei und war drin, ehe man es sich versah.
Wenn Harry gewusst hätte, dass Joey vor der Tür stand, hätte er wahrscheinlich gar nicht erst aufgemacht. Er hätte mal lieber durchs Fenster gucken sollen. Erst nachschauen, dann die Tür aufmachen.
Dann allerdings hätte Joey ihn gesehen. Er passte verdammt gut auf, genau wie eine Ratte. Immer auf der Lauer, um sich schadlos zu halten oder in Sicherheit zu huschen.
Er hatte ihn überrascht, der Wichser, hatte einfach angeklopft, und jetzt stand er da mit seiner Tüte und einem schiefen Grinsen im Gesicht, und Harry hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Joey hatte ihn in seinen eigenen vier Wänden drangekriegt. Er machte sich bereits schmal, die Ratte; das spürte er.
»Ich bin nun mal ein Arschloch«, sagte Joey. »Schon immer gewesen. Aber ich bin dein Freund.«
»Das ist ja das Schlimme.«
»Jetzt sei doch nicht so.«
Mist. Die Ratte trickst mich wieder aus, sagte Harry sich. Ich weiß es. Er weiß es. Aber ich bin ein Gewohnheitstier. Bin selber auch nur eine dämliche Laborratte. Auf ihn konditioniert. Immer gebe ich nach. Immer lasse ich ihn rein.
Harry trat zur Seite.
»Also gut, Arschloch«, sagte Harry. »Komm rein.«
»Schon besser«, sagte Joey.
Er flitzte hinein, holte die Flasche aus der Tüte, die er zu Boden fallen ließ, und stellte den Wein geräuschvoll aufs Bücherregal. Dann zog er seinen Mantel aus und warf ihn über einen Stuhl.
»Ich hol Gläser«, sagte Joey.
»Eins reicht. Ich trinke nichts.«
Joey hielt inne und schaute Harry an. »Was soll das dann für eine
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