Blutiges Echo (German Edition)
kannst mir den nötigen Arschtritt verpassen, und ich kann dir das Wissen vermitteln, das du brauchst, um deine Reaktionen auf diese Geräuschgeschichte wenigstens einigermaßen unter Kontrolle zu kriegen.«
»Wenn du dir nicht mal sicher bist, ob du mir das Ganze glaubst, woher willst du dann wissen, ob du mir irgendwie die Kontrolle darüber geben kannst?«
»Alles im Leben dreht sich um Selbstbeherrschung, Harry. Disziplin, Ordnung, Planung, selbst Kreativität. Die entsteht nicht aus wilder Hemmungslosigkeit. Da hilft einzig und allein, so sehr dein eigener Herr zu sein und so sehr in dir selbst zu ruhen, dass du nur fühlst, was du fühlen solltest, und alles Überflüssige außen vor lässt. Willst du’s nun probieren oder nicht?«
Harry saß einen Augenblick lang da und betrachtete das Buch auf der Theke, das Tad auf das andere gestapelt hatte. Langsam hob er den Kopf.
»Wann geht’s los?«
»Heute.«
»Tad? Machst du das nur für mich?«
»Ach, Kleiner, ich wünschte, ich wäre so selbstlos. Das mache ich für mich.«
Kapitel 25
Sie waren draußen im Garten, wenn man die knapp anderthalb von Backsteinmauern umgebenen und mit riesigen Walnussbäumen und Eichen bewachsenen Hektar als Garten bezeichnen konnte.
Harry kannte Leute, die das hier eine Farm nennen würden. Oder eine Plantage.
Lichtstrahlen fielen schräg durch die Baumkronen; von den Zweigen segelten Blätter herab und wirbelten im Wind umher. Es roch angenehm nach Regen, und die kühle Luft gab einen Vorgeschmack auf den Herbst.
Tad sah zu Harry. »Bevor du überhaupt anfängst, irgendwas beherrschen zu wollen, musst du als Allererstes lernen, dass du nichts beherrschen kannst.«
»Okay, das reicht mir für heute«, erwiderte Harry. »Ich geh nach Hause und denke darüber nach.«
»Hör einfach zu.«
»Ich bin jetzt schon fertig mit der Welt, Tad. In Akademikerkreisen nennt man so was einen dicken fetten Widerspruch. Ich weiß echt nicht, ob ich Bock auf diesen ganzen Kung-Fu-Krempel hab, auf dieses zweideutige Zen-Gequatsche.«
»Pass einfach auf. Sieh dir die Blätter an, die da herumfliegen. Sie gleiten im Wind. Sie kämpfen nicht dagegen an …«
»Blätter haben keine andere Wahl, Tad. Sie haben kein Gehirn.«
»Wer ist hier der Lehrer, du oder ich?«
»Schon gut, ich bin still.«
»Lass dich von den Blättern leiten.«
»Von den Blättern?«
»Ja. Sie kämpfen nicht gegen den Wind an, sie lassen sich treiben. Sie sind Teil des Universums. Du und ich sind derzeit überhaupt nicht Teil des Universums. Kannst du mir folgen? Was denkst du gerade?«
»Dass du wohl mindestens eine Schraube locker hast.«
Tad seufzte. »Hör mal, Kumpel. Ich habe den Vormittag damit verbracht, in den Büchern meines alten Kampfsportlehrers zu lesen. Bei einem davon habe ich ihm selbst beim Schreiben geholfen. Ich versuche, einen Haufen altes Zeug wieder auf die Reihe zu kriegen. Du musst mir vertrauen. Das hat alles seinen Sinn. Vielleicht nicht am Anfang, aber versuch einfach, so weit wie möglich mitzukommen, okay? Wir probieren es ein paar Wochen lang, und wenn es uns dann nicht besser geht, sich nicht ein paar Sachen einrenken und die Welt immer noch so eiert, dann ziehen wir beide los, kaufen einen Karton Whiskey und gucken, wie blau wir werden können. Abgemacht?«
»Abgemacht.«
»Gut. Also, hör zu. Sei wie ein fallendes Blatt. Du musst nach deiner Verbindung mit dem Universum suchen, nicht nach dem Bruch. Du darfst nicht gegen den Wind ankämpfen, sondern musst dich treiben lassen. Schau mal, siehst du, wie die Blätter bis zum Boden geweht werden und die Erde berühren? Sie gleiten, sie streifen das Gras, sie gehen wieder hoch und gleiten wieder runter …«
»Das kommt vom Wind.«
»Ich weiß, du Schwachkopf. Pass einfach auf, ja? Jetzt mach die Augen zu. Tu’s einfach.«
Harry schloss die Augen.
»Hör zu. Stell einen Fuß nach vorn … – Nicht so. Nicht irgendeine Kampfstellung oder so. Vergiss diesen ganzen Scheiß, den du in den Filmen gesehen hast. Du willst Bewegungsfreiheit behalten. Entspann dich. Versuch’s noch mal … – Gut. Sehr natürlich. Jetzt werde ich gleich nichts mehr sagen, aber vorher pass noch mal gut auf. Ich weiß nicht, ob dein komisches Ohr dir generell eine bessere Wahrnehmung verschafft oder nicht, aber wir finden jetzt mal raus, ob du überhaupt was hörst. Ich will, dass du dem Universum zuhörst. Dem Wind. Den Blättern und ihren Geräuschen. Ich will, dass du wirklich die Lauscher
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