Blutiges Echo (German Edition)
Nase in irgendwelchen Wälzern. Zum Beispiel Medizinfachbücher – für den Kampfsport habe ich mir viel über den menschlichen Körper angelesen. In meiner Bibliothek stehen alle möglichen Bücher. Ich wollte mir gerade ein bestimmtes holen, als du reinkamst. Warte mal kurz.«
Tad verschwand und kam mit einem großen, dicken Band zurück.
»Ein medizinisches Fachbuch«, erklärte er. »Hör dir das mal an.«
Er begann vorzulesen:
» Es gibt zahlreiche Fälle, in denen entweder durch einen Unfall oder von Geburt an, durch eine schwere Verletzung oder sogar durch eine Kinderkrankheit das Gehirn so beeinträchtigt oder verändert wurde, dass es Farben zugleich als Geruch oder auch als Klang wahrnimmt. Der Anblick der Farbe Rot könnte also Sensoren aktivieren, die den Betroffenen dazu bringen, Zimt oder Rosen oder sogar Fäkalien zu riechen. Umgekehrt kann Geruch manchmal als Farbe wahrgenommen werden. Es gibt Fälle, bei denen Bilder durch Töne aktiviert werden und die Fähigkeit besteht, Klänge als optische Wahrnehmung zu interpretieren. Und es gibt einige, wenn auch zweifelhafte Hinweise darauf, dass Klänge Bilder vergangener Ereignisse enthalten können, die in der unmittelbaren Umgebung aufgezeichnet wurden. Dazu gehören Felsen, Wohnstätten und dergleichen, bis hin zu Verzierungen auf Tongefäßen. In ihnen ist der Klang festgehalten wie in den Rillen einer Schallplatte. Manchmal tauchen dann diese ›Aufzeichnungen‹, beispielsweise Erinnerungen an Stimmen oder Klänge von Liedern, die gesungen wurden, in Form von aufblitzenden akustischen und optischen Erscheinungen und, am verheerendsten, in Form von Empfindungen wieder auf.
Es wird vermutet, dass hierin die Ursache für den Glauben an Geister liege, und da nicht jeder diese angeborene oder erworbene Fähigkeit besitze, würden eben einige Menschen ›Geister‹ hören oder sehen und andere nicht.
Das war aus dem Texas Medical Journal , und zwar ein Artikel aus dem Band Das Geheimnis der Sinne, der Wahrnehmungen und des Gehirns von Dr. James Long-Williams.«
Tad klappte das Buch zu, legte es weg, nahm das andere Buch und schlug es beim Lesezeichen auf. »Und jetzt hör dir das an:
Audiochronautik: verwandt mit Hellsehen, doch statt der Fähigkeit, die Zukunft oder die Vergangenheit zu sehen, handelt es sich um die Fähigkeit, sich vergangene Ereignisse durch die Übertragung von Klang und seine Umwandlung in optische Darstellungen vergangener Ereignisse zu erschließen, die in diesen Klängen stecken, die wiederum in Gegenständen oder Gebäuden verborgen liegen. Zumeist aktiviert ein Klang Bilder, in denen der Audiochronaut in der Zeit zurückreisen kann – zumindest insofern, als dass er vergangene Geschehnisse sieht, wie sie sich ereignet haben und in unbelebten Gegenständen aufgezeichnet wurden. Oft werden diese Bilder durch eine gewaltsame Entladung bioelektrischer Energie, die von der Umgebung aufgenommen wird, in den Gegenständen fixiert. Durch einen Klang wird diese Energie wieder aktiviert und entlädt sich, wobei sie nun ihrerseits als akustischer, visueller und emotionaler Rekorder agiert. Eine zuschlagende Tür oder scharrende Möbel, sofern Tür oder Möbel Teil des damaligen gewaltsamen Ereignisses sind, können diesen Vorgang in einem Individuum, das über entsprechende Fähigkeiten verfügt, ohne Weiteres anregen. Die Person, die diese Ereignisse erlebt, hört und sieht nicht nur, was in der Vergangenheit geschehen ist, sondern sie empfängt auch die emotionale Energie so, dass er oder sie bis hin zu Übelkeit, Entsetzen, Ekel oder gar Erkrankung in Mitleidenschaft gezogen wird.
Die Fähigkeit wird oft vererbt, durch Gehirnverletzung oder durch Krankheit hervorgerufen, eventuell auch erst durch eine Kombination aller drei Faktoren. «
»Donnerwetter«, sagte Harry. »Das kommt ziemlich genau hin. Ist das auch eine medizinische Fachzeitschrift?«
»Nein. Das ist ein Buch zu übernatürlichen und außergewöhnlichen Fähigkeiten. Latrells Enzyklopädie des Seltsamen und Widernatürlichen .«
»Na toll.«
»Aber die Sache ist die, Kumpel: Die Ärzte und die Fans des Übernatürlichen sind sich einig, auch wenn sie leicht unterschiedlich argumentieren … na ja, so unterschiedlich auch wieder nicht. Das ist das Interessante daran. Also, es könnte wirklich was dran sein an dem ganzen Mist, den du erzählst.«
»Danke.«
»Spielt doch keine Rolle. Darum geht’s doch gar nicht. Ich glaube, wir können einander helfen. Du
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