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Blutiges Echo (German Edition)

Blutiges Echo (German Edition)

Titel: Blutiges Echo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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unterworfen.
    Harry trug verwaschene Jeans – und zwar nicht modisch verwaschen –, ein schlabbriges T-Shirt, und die Haare standen ihm in wirren Büscheln vom Kopf ab. Seine Haut war bleicher als Druckerpapier unter einer grellen Lampe. So sah man aus, wenn man sich vor der Welt versteckte.
    Zwei gut aussehende Mädels hingen ebenfalls mit Talia herum – eins von ihnen gehörte eventuell zu einem der Jungs, das andere war anscheinend solo –, aber dann waren immer noch drei Kerle übrig, die mit Talia zusammen sein konnten. Und falls das andere Mädchen nur den Eindruck machte, als sei es Single, blieben trotzdem noch zwei potenzielle Kandidaten.
    Wenn diese Alphamännchen nicht alle schwul sind, dachte Harry, sieht es schlecht aus für unseren Helden.
    Doch dann schaute Talia kurz zu einem der Jungs und lächelte, und plötzlich, das Universum sei gepriesen, blickte sie direkt zu ihm herüber.
    Er spürte eine Regung in seiner Hose, die nichts mit dem losen Kleingeld in der Tasche zu tun hatte.
    »Ich wollte dich nicht von deinen Freunden wegreißen«, sagte Harry, trank einen Schluck Kaffee und betrachtete sie über den Rand seiner Tasse hinweg.
    »Schon okay«, sagte Talia. »Ich hab an dich gedacht.«
    »An mich?«
    »Klar. Und ich hab nach dir Ausschau gehalten.«
    »Ach ja?«
    »Jepp. – Diese Ecke könnte man schon fast als unseren Stammplatz bezeichnen, oder?«
    Sie saßen am selben Tisch wie beim letzten Mal. »Ja«, stimmte Harry zu. »Irgendwie schon. Ich hab auch viel an dich gedacht.«
    Talia zog einen Schmollmund. »Aber wo warst du dann?«
    »Hatte viel zu tun.«
    »Du warst nicht in deiner Vorlesung. Ich hab auf dich gewartet und wollte dich abfangen. Ich dachte schon, du hast das College geschmissen.«
    »Den Kurs hab ich ein paarmal sausen lassen. Hab einem Freund geholfen.«
    Talia lächelte, und Harry dachte: Wow. Sie hat ihre Clique stehen lassen, um Zeit mit mir zu verbringen. Das ist echt verdammt cool.
    Jetzt waren es nur noch er und sie.
    Und natürlich all die anderen Leute hier.
    Trotzdem war es etwas Besonderes. Sie musste ihn wirklich gernhaben, wenn sie ihre Freunde einfach so stehen ließ. Während sie auf ihn zugeschlendert war, hatte sie noch mal zu den Jungs zurückgeschaut, kurz bevor er sie dann auf einen Kaffee eingeladen hatte. Und der brachte ihn ins Grübeln, dieser Blick über die Schulter, aber, verdammt, man konnte überall etwas reininterpretieren, und genau das war sein Problem.
    Nimm’s, wie es ist, sagte er sich. Nimm’s, wie es ist.
    »Übrigens«, fing er an, »ich weiß ja nicht, ob du gern ins Kino gehst, aber ich bin ein totaler Kinofan.«
    »Ich liebe Kino!«
    »Und ich dachte, na ja, dass wir uns am Wochenende einen Film anschauen könnten. Zusammen.«
    »Natürlich zusammen.« Sie lachte. »Wir könnten sogar zur selben Zeit gehen.«
    »Ja, okay. Das war blöd. Klar. Zusammen. Vielleicht läuft auch gar nichts Gutes, ich hab noch nicht geschaut, aber das lässt sich ja rausfinden. Wir können es zum Beispiel so machen: Ich hol dich ab, oder wir treffen uns auf dem Campus, dann essen wir was bei Dineros, und danach gehen wir ins Kino. Oh, und es gibt ein neues Steakrestaurant, Khan’s heißt es . Ist lecker dort. Ich war da, als es gerade aufgemacht hatte. Aber Dineros ist ganz in der Nähe, das ist vielleicht besser.«
    Halt bloß die Klappe, befahl er sich. Du kommst ins Schwafeln.
    »Das hört sich gut an. Ich bin dabei. Aber jetzt muss ich los. Wollen wir morgen Nachmittag gehen? Du kannst mich hier abholen.«
    Sie kramte was zum Schreiben hervor und notierte ihm ihre Nummer. Die hatte sie ihm zwar bereits gegeben, aber das behielt er für sich. Es hätte ihm nichts ausgemacht, eine ganze Sammlung von Zetteln mit der Nummer zu haben, solange sie alle von ihrer Hand geschrieben waren.
    »Ruf mich kurz vorher an, okay? Und dann machen wir aus, wann und wo genau wir uns treffen.«
    »Alles klar.«
    Er merkte es erst zu Hause, aber er hatte sich auf dem Heimweg gar nicht an seine geplante Route gehalten, hatte keinen einzigen Gedanken daran verschwendet.
    Er war einfach zu seinem Auto gegangen und wie in Trance nach Hause gefahren.
    Die Welt hatte sich verändert, zum Besseren, unzweifelhaft. Die Sonne schien heller, und die Luft roch frischer. Auch ein blindes Huhn, selbst wenn es unter akuter Audiochronautitis litt, fand mal ein Korn.
    Gack, gack.
    Harry betrat seine Wohnung und fing an, die Pappen und Eierkartons von den Wänden zu reißen.

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