Blutiges Echo (German Edition)
in die Tat umzusetzen ist eine ganz andere Geschichte. Die Balance hier draußen zu halten oder die Balance im Leben, das ist ein und dasselbe. Wenn du aus dem Gleichgewicht kommst, wirst du leichter umgehauen.
Die Sache ist die, das mit der Meditation kriegst du hin. So langsam läufst du geschmeidiger und zuversichtlicher. Zerbrich dir nicht den Kopf über den Rest. Mal dir nicht aus, wie du jemanden windelweich prügelst, sondern stell dir einfach vor, was ich dir sage, das du dir vorstellen sollst, bis es Realität wird. Der Rest kommt dann von ganz allein. Du musst wie ein Affe sein. Ein Affe ist ein egoistischer kleiner Mistkerl. Wenn er was haben will, dann nimmt er sich’s einfach. Er kümmert sich nicht darum, ob jemand seinen anderen Arm festhält oder ob von ihm zur Banane eine perfekte Gerade verläuft; er holt sich einfach, was er haben will. Er denkt nicht einmal an seinen Gegner, sondern bloß daran, was er haben oder tun will, wo er hinwill. Und dann läuft er da hin, so lässig wie … na ja, wie ein blöder Affe eben. Einen Affen festzuhalten ist schwer. Und er will, was er will. So meine ich das, egoistisch wie ein Affe …«
»Und trotzdem noch eins mit dem Universum sein?«
»Ganz genau.«
»Werden Affen nicht manchmal von Löwen oder so gefressen?«
»Stimmt. Und das ist die zweite Lektion. Es ist egal, was du weißt oder wer du bist, immer wartet irgendwo mit Brief und Siegel die Arschkarte auf dich. Du kannst sie besser vermeiden, wenn du trainierst und dich vorbereitest. Aber es kann jedem jederzeit passieren. Kampfsport ist keine Zauberei. Es ist ein Zaubertrick. Aber manchmal kommt dir jemand unter, der – aufgrund seines eigenen Trainings, durch ein Missgeschick, durch deine mangelnde Aufmerksamkeit an diesem Tag oder einfach nur durch schieres verschissenes Glück – dein Löwe oder Tiger wird, Harry. Manchmal wird der Affe aufgefressen.«
»Vielleicht sollte ich dann der Löwe sein?«
»Das könntest du versuchen. Aber er ist auch nicht perfekt. Andere Löwen erwischen ihn, oder Affen tun sich gegen ihn zusammen und verjagen ihn. Sie bewerfen ihn buchstäblich mit Scheiße, schmeißen Äste, Steine und Früchte nach ihm. Eine Krankheit streckt ihn nieder, ein Unglück oder ein Jäger. Nichts gibt’s umsonst, es gibt keinen perfekten Schutz, und du musst eben aufpassen, dass alles drinhängt, wenn du den Hosenstall zumachst. Ein Grundsatz fürs Leben. Kapiert, Kleiner?«
»Ja, kapiert.«
»Eins noch. Hörst du mir zu?«
»Ja.«
»Dieses Stück Scheiße, dass du als deinen Freund bezeichnet hast. Der Hundehaufen. Wie hieß der noch? Du weißt, wen ich meine.«
»Joey.«
»Genau. Ich bin jetzt mal ehrlich. Er und ich hatten einen kleinen Wortwechsel. Na ja, eigentlich kamen die Worte alle von mir. Aber er hatte keinen Hunger mehr, als ich fertig war, und ist gegangen.«
»Hab ich mir schon gedacht.«
»Wahrscheinlich ist es das Beste, wenn du ihn aus deinem Leben verabschiedest. Joey ist wie einer dieser weniger mutigen Affen, die mit ihrer eigenen Scheiße werfen. Andere Munition hat er nicht. Verstehst du, was ich damit sagen will?«
»Ich glaube schon.«
»Ich drück’s mal so aus, dass sogar du es begreifst. Hier kommt’s, auf einem Silbertablett. Der Wichser ist ein Versager, und er will, dass du auch einer bist. Er hat behauptet, dass du nicht mit diesem Mädchen ausgehen kannst. Das tust du aber gerade. Und weißt du was? Solltet ihr irgendwann mal nicht mehr zusammen sein, ändert das gar nichts. Du bist, was du zu sein beschließt. Deinen Wert bestimmst du selbst. Und noch was Wichtiges. Mach dich bereit für ein regelrechtes Schmankerl, wie ich zu sagen pflege …«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Manchmal, mein jugendlicher Freund, schaffst du dir was Unangenehmes vom Hals und glaubst, damit wäre es fort. Aber fort ist es nie. Nicht endgültig. Sei immer auf der Hut. Weil unangenehme Dinge nämlich wiederkommen. Und manchmal bringen sie ihre Freunde mit.«
Kapitel 34
Bei der Arbeit fühlte sich Harry ziemlich sicher vor den Geräuschen, und er war sicher vor dem Alkohol, auch wenn ihm beides durch den Kopf ging. Er übernahm gerne Aufgaben wie Bücher einsortieren. Das war die Art von Arbeit, bei der sich der Verstand treiben lassen konnte, und hin und wieder schlug er ein Buch auf und las ein bisschen hiervon, ein bisschen davon. Das ähnelte dem, was Tad ihm beigebracht hatte: eins mit seiner Umgebung werden. Sich am Moment erfreuen, am Hier und Jetzt.
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