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Blutiges Echo (German Edition)

Blutiges Echo (German Edition)

Titel: Blutiges Echo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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wie der Buchladen waren großartig. Es gab keine Schießereien, Verkehrsunglücke, Raubüberfälle oder irgendwelche verborgenen Zwischenfälle im Klappern der Kataloge oder im Zischen der automatischen Türen.
    Ein Zufluchtsort.
    Das mit dem Alkohol war ein anderes Kapitel. Inzwischen vermisste er ihn wirklich. Es ging doch nichts über ein gutes, stärkendes Schlückchen nach der Arbeit. Und dann ein Abstecher in die Kühle der Bar, wo er sich an einen Tisch setzen und kleine Feuchtigkeitsperlen an einem großen Bierpitcher beobachten konnte. Ihm gefiel der Anblick des Bieres, golden wie Nektar, wenn es aus dem Pitcher in ein großes, dickwandiges Glas gegossen wurde.
    Und dann der erste Schluck.
    Oh, du lieber Gott, der Geschmack beim ersten Schluck, wenn das kalte Bier die Kehle hinunterrann und der Alkohol zu wirken begann und dem Ganzen eine süße Bitternis innewohnte, weil man genau wusste, dass man wieder vom Strudel erfasst wurde, und nach dem ersten Bier schmeckte man gar nichts mehr, spürte nur die Kälte. Und schon bald nicht einmal mehr das. Dann gab es nur noch das Bier, und es war eine einzige Bewegung, das Glas anheben und das Bier hinunterkippen. Ja, er dachte an Bier. Ihn dürstete danach. Es ging ihm ständig durch den Kopf.
    Aber allmählich wurde es einfacher, nicht an Bier zu denken – zumindest zeitweise. Denn jetzt gab es Tad und das Projekt, mit dem Universum zu verschmelzen, und es gab Talia, und sie war das Zentrum dieses guten alten riesigen Universums, in das er hineingesogen werden wollte.
    »Lange nicht gesehen.«
    Harry zuckte zusammen. Nach vorn gebeugt räumte er gerade einige Bücher ein, und als hinter ihm die Stimme ertönte, fuhr er auf und knallte mit dem Kopf gegen ein Regalbrett.
    Er drehte sich um.
    Kayla.
    »Oje! Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte sie und schaute besorgt drein, wie ein großes Kind, das einen doch bloß nett hatte überraschen wollen.
    Harry rieb sich den Hinterkopf und betrachtete sie. Sie hatte ziemlich viel Parfüm aufgetragen. Der Geruch war so intensiv, dass er einen Schritt zurückweichen musste und mit den Waden ans Bücherregal stieß.
    Abgesehen von der Parfümwolke wirkte sie strahlend natürlich. Blondes Haar, und in ihren wunderschönen Augen blitzte der Schalk. Sie war immer noch das Kind, das er von früher kannte; es steckte unter ihren feineren erwachsenen Gesichtszügen und im Leuchten ihrer Augen. Sie war hübsch, aber nicht so wie Talia, die Fleisch gewordene Sexbombe. Kayla war eher das Mädchen von nebenan. Talia … tja, sie war eben Talia.
    »Mist. Das wird bestimmt eine Beule«, sagte sie.
    »Fürchte ich auch.«
    »Eigentlich hatte ich mir unser erstes Zusammentreffen nach all diesen Jahren anders vorgestellt.«
    »Ach, schon in Ordnung. Schön, dich zu sehen.«
    »Gleichfalls.
    »Willst du dich für Collegekurse einschreiben?« Harry versuchte, sich nicht den Kopf zu reiben, aber er konnte es nicht lassen. Es schmerzte.
    »Nein.«
    »Brauchst du Bücher?«
    »Nein.«
    »Kann ich dir irgendwie weiterhelfen?«
    »Ich wollte dich sehen.«
    »Mich?«
    »Ja, du weißt schon. Einfach mal Hallo sagen.«
    »Woher wusstest du, dass ich hier arbeite?«
    »Ich bin ein Bulle, Harry. Mir bleibt nichts verborgen … – Ich hab deine Mutter angerufen.«
    »Oh.«
    »Sie klang ganz munter.«
    »Ist sie auch.«
    »Du siehst gut aus«, sagte sie.
    »Danke. Du auch. Ja, mir geht’s gut. Und dir?«
    »Auch gut. Hast du noch … das mit den Geräuschen?«
    »Ach, das. Nein. Das ist alles vorbei. War nur so eine Phase bei mir. Du weißt schon, was Kinder sich eben so einbilden.«
    »Einbilden?«
    »Jepp.«
    »Du hattest dir den Geist im Honkytonk nur eingebildet? Erinnerst du dich noch daran?«
    »Ich erinnere mich … keine Ahnung. Nicht mehr so richtig.«
    »Nicht mehr so richtig was?«
    »Ich meine, ich weiß es nicht.«
    Kayla nickte. »Tja, jedenfalls schön, dich zu sehen.«
    »Gleichfalls.«
    Sie lachte. »Hatten wir das nicht gerade schon?«
    »Mehr oder weniger.«
    »Weißt du was, Harry, es ist zwar ganz schön lange her, aber vielleicht …«
    »Eine Freundin von dir, Harry?« Das war Talia. Sie war aus dem Nichts aufgetaucht wie eine Erscheinung. Sie kam näher, stellte sich dicht neben Harry und legte ihm einen Arm um die Hüfte. Sie sah aus wie der Titelseite einer Modezeitschrift entsprungen – todschick in enger Hose, Trägertop und Schuhen mit dicken Absätzen, wegen denen sich ihr Hintern wölbte, als wolle er

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