Blutiges Echo (German Edition)

gut, Talia.« Das war der Knabe, der am College mit von der Partie gewesen war, der in dem Fast-Food-Restaurant gesessen hatte, den Talia beim Tanzen angeguckt hatte. Allerlei Gedanken und Fragen und sogar ein paar traurige Antworten stiegen in Harry auf, als er beobachtete, wie der Bursche sich vordrängte und Talia den Arm um die Taille legte.
    »Sie wollte mir den Bunker zeigen«, sagte Harry.
    »Hab ich auch«, bestätigte Talia. »Und dann ist er über mich hergefallen. Schaut euch meine Arme und Handgelenke an. – Na ja, bei dem Licht sieht man es nicht, aber sie sind total blau.«
    »Ich sollte dir das Fell über die Ohren ziehen, Junge«, sagte ihr Vater.
    »Es war ein Unfall, ich schwör’s!«
    Talias Mutter stieß dazu. Sie taumelte aus der Menge, sah Harry an und lächelte. »Du bist süß, weißt du das?«
    »Ach, halt die Klappe«, sagte Mr McGuire. Er holte sein Handy aus der Hosentasche und drückte ein paar Tasten. Dann sagte er zu Harry: »Ich rufe die Polizei.«
    »Die Polizei?«, wiederholte Harry. »Ich hab doch gar nichts gemacht!«
    »Er hat gesagt, du hättest jemanden ermordet, Daddy«, sagte Talia und klammerte sich eng an den Burschen.
    »Was?«, fragte Mr McGuire, und dann ins Telefon: »Oh, die Polizei. Ja. Ja.«
    Er nannte seinen Namen und die Adresse, klappte das Handy zu und steckte es wieder in die Hosentasche.
    »Jemanden ermordet?«, hakte er nach. »Ich?«
    »Er hat gesagt, er glaubt, du hättest jemanden umgebracht«, wiederholte Talia. »Du, Daddy.«
    »In der Vision«, sagte Harry, »sah er aus wie Sie.«
    »Wen denn ermordet?«, fragte McGuire. »Wovon zum Teufel redest du?«
    »Ich weiß es nicht, einen rothaarigen Mann, mit Sommersprossen.«
    »Tatsächlich. Einen rothaarigen Mann mit Sommersprossen. Hatte er einen lustigen Hut auf? Trug er vielleicht große bunte Plastikschuhe?«
    »Nein«, antwortete Harry. »Der andere Mann, der so groß war wie Sie, der hatte einen Hut auf. Aber lustig war der nicht.«
    Während ihres Gesprächs hatte die Menge angefangen zu tuscheln, und jetzt schloss sie dichter und dichter zu Harry auf. Er hatte das Gefühl, gleich in Ohnmacht zu fallen, als wäre er zu fest in eine Baumwolldecke gewickelt und die ganze Luft würde durch ein Vakuum Gottes aus dem Universum gesogen.
    »Ich habe jemanden umgebracht, und ich hatte einen Hut auf?«, wiederholte Mr McGuire. »Einen rothaarigen Mann mit Sommersprossen?«
    »Sie könnten es gewesen sein. Die Körpergröße … ich weiß nicht. Vielleicht waren Sie es nicht.«
    »Jetzt bist du dir nicht mehr sicher. Mein Sohn, du musst dringend darauf achten, dass du deine Tabletten regelmäßig nimmst.«
    »Da könnten Sie recht haben.«
    Mrs McGuire wollte auch etwas sagen, aber Mr McGuire brachte sie barsch zum Schweigen. »Du bist immer so ein Arsch«, sagte sie. »Ich geh wieder rein.«
    Und damit lief sie schwankend und stolpernd zum Haus.
    Da standen sie nun alle, Harry in der Mitte der tuschelnden Menge, die Alkohol in die Nachtluft atmete, und warteten wie eine Art Skulptur, während sie ihn musterten.
    Ein bis zwei Ewigkeiten später begann der Himmel rot, blau und gelb zu flackern, und weiße Lichter erfassten den goldenen Schein im Vorgarten und verdrehten ihn zu einem buckeligen Regenbogen.
    Die Polizei war da.
    Mit eingeschaltetem Blaulicht, ohne Sirenen, fuhren drei Streifenwagen hinters Haus und hielten. Die Türen gingen auf und Polizisten strömten aus den Fahrzeugen. Die Menge teilte sich, und die Polizisten schritten auf Mr McGuire zu.
    Eine Polizistin war dabei: Kayla.

Kapitel 41
    »Bevor wir anfangen«, sagte der Sergeant, »ich bin Sergeant Tom Pale. Ich weiß, dass diese Narbe in meinem Gesicht einen ablenken kann, deswegen erzähle ich dir, wie ich sie bekommen habe, damit du dir nicht weiter den Kopf darüber zerbrichst, weil ich genau weiß, dass du das tust. Das geht allen so. Ich will, dass du dich auf die Situation hier konzentrierst, nicht auf die Narbe. Ein nackter Typ auf Angel Dust hat auf einem Parkplatz Autos mit einem Cutter zerkratzt. Ich hatte Bereitschaft. Wir haben uns geprügelt, ich habe ihn verhaftet. Und zwar allein. Was ziemlich anstrengend war. Daher habe ich die Narbe. Ich hab die Schnittwunde davongetragen, er zerquetschte Eier, und er hört nichts mehr auf dem rechten Ohr. Das ist also die Geschichte meiner Narbe, klar?«
    »Klar«, sagte Harry, denn der Sergeant hatte recht; er hatte sich tatsächlich auf die Narbe konzentriert. Sie war ein ziemliches