Blutiges Echo (German Edition)
Erklärung, die den ganzen Plan über den Haufen werfen konnte. Welchen Plan auch immer.
Nachdenklich fuhr Harry weiter. Hinter einer Kurve teilten sich die Bäume, und auf der anderen Seite des Weges zeichnete sich in der Ferne eine ungewöhnliche Erhebung ab.
Er erkannte sie sofort wieder, auch wenn er sie noch nie aus diesem Winkel betrachtet hatte. Der Bumshügel. Nichts anderes in dieser Gegend ragte so hoch auf. Es war noch ein gutes Stück bis dahin, aber allein der Anblick brachte Erinnerungen an Talias hübschen Hintern im Mondlicht zurück, an erhabene Augenblicke.
Und ihm kam noch ein anderer Gedanke.
Es war nur eine Vermutung, aber irgendwie ergab sie Sinn.
Er bog um die Kurve, und tatsächlich, da zweigte eine Straße nach rechts ab. Kurz darauf landete er auf dem Highway, und dann, nach wenigen Augenblicken, stand er an der Kreuzung zum Bumshügel.
Wenn ich eine Leiche loswerden müsste, dachte er, wäre das genau der richtige Ort. Hier oben auf dem Bumshügel würde ich sie über die Kante ins Dickicht da unten werfen, wo sie vor Blicken geschützt liegen bleibt, damit sie vor sich hin rottet und von wilden Tieren und Insekten gefressen wird. Bis jemand die Leiche findet, können Jahre vergehen, und selbst dann würde es immer noch keine direkte Verbindung zu dem Mord an Jones geben.
Kalt lief es ihm den Rücken hinunter, und das hatte nichts mit dem Wetter zu tun. Er war sich seiner Sache so sicher, dass sein Magen ins Schlingern geriet.
»Ein Seil?«, fragte Tad. »Damit ich dich daran aufknüpfen kann, hoffentlich.«
»Tut mir leid, Tad. Echt.«
Sie standen in Tads Wohnzimmer. Harry hatte ihn aus dem Bett gescheucht, indem er sich gegen die Türklingel gelehnt hatte.
»Du hattest also eine plötzliche Eingebung und dachtest, du brauchst sofort ein Seil?«
»Ich glaube, ich weiß, wo Vincents Leiche ist. Oder sein könnte.«
»Ohne Scheiß?«
»Ohne Scheiß.«
»Die Stelle kommt mir bekannt vor«, sagte Tad.
»Warst du schon mal hier oben?«
»Nur um mir einen runterzuholen.«
Während Harry sich das noch durch den Kopf gehen ließ, sagte Tad: »Hey, ich verarsch dich nur. Dieser Hügel war schon zu meiner Zeit beliebt. Ich hab immer meine Verabredungen hierhergebracht.«
»Schon komisch«, sagte Harry, »manchmal wirkst du echt wie ein alter, weiser Gelehrter. Die übrige Zeit bist du einfach nur ein stinknormales Arschloch vor dem Herrn.«
Sie stiegen aus, und Tad zerrte die Seilrolle vom Rücksitz. Sie gingen zum Abhang hinüber und schauten hinunter. Das leichte Gefälle ging nach etwa dreißig Metern in eine Armeleuteversion von einer Schlucht über. Dort wucherte dichtes Gebüsch; Bäume wuchsen waagerecht aus dem Felsen und drehten sich auf der Suche nach Sonnenlicht himmelwärts. Im Sternenlicht sahen sie wie außerirdische Wesen aus.
»Hast du dein Handy dabei?«
»Oh, ja. Das hab ich ganz vergessen.«
»Dachte mir schon, dass du deswegen rübergekommen bist und dich auf die Klingel gesetzt hast. Sorg dafür, dass es an ist, dann kannst du mich auf dem Laufenden halten. Ich knote das eine Ende des Seils irgendwo an der Unterseite des Mercedes fest, und wenn ich dich hochziehen soll, mach ich das einfach mit dem Auto und halte mir das Handy ans Ohr, während du mir Anweisungen gibst. Du weißt schon, zu schnell, zu langsam, mein Hals steckt in der Schlinge. So ungefähr.«
»Super.«
»Du könnest recht damit haben, dass die Leiche da unten liegt«, sagte Tad. »Aber wahrscheinlich wirst du nicht das Geringste finden. Das Ganze ist inzwischen Jahre her. Sein Fleisch säße längst nicht mehr an den Knochen, das Skelett wäre zerfallen und läge überall in der Gegend verstreut. Und irgendein Hund oder Kojote oder was auch immer für ein Viech hat wahrscheinlich nur zur Unterhaltung einen Oberschenkelknochen in seiner Höhle liegen.«
Tad machte das Seil an seinem Auto fest, dann schlang Harry es sich einmal um die Hüfte und hielt das lose Ende fest, sodass er sich zurücklehnen und Seil nachgeben konnte und trotzdem festgebunden war, während er hinunterstieg.
»Pass auf Schlangen auf.«
»Ist es denen nicht zu kalt?«
»Das wird immer behauptet, aber hey, du könntest eine aufwecken.«
»Herzlichen Dank.«
Harry stellte sich rückwärts an die Kante, hielt das Seil fest im Griff, lehnte sich weit nach hinten, tat einen kleinen Sprung und fiel ungefähr drei Meter nach unten. Zwar hatte er unterwegs das Seil lockergelassen, doch als er an der Wand aufkam, war
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