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Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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das Trianon besaß, wie Cardinal zugeben musste, ein gewisses Flair aus vergangenen Tagen, das man in Algonquin Bay sonst vergeblich suchte. Als er eintrat, sah er es im Glanz des Silbers, dem Funkeln der Kronleuchter und der Kandelaber. Er konnte es sich nur zu besonderen Anlässen leisten, hierher zu kommen; das letzte Mal war es zu Kellys Abschlussfeier gewesen.
    »Zu welchen Errschaftön darf ich Sie wohl begleitön?«, erkundigte sich der Maître d’Hôtel in halbwegs glaubhafter Pariser Grandezza.
    »Ich bin mit R. J. Kendall verabredet.«
    Der Maître führte ihn quer durch den voll besetzten Speisesaal. Cardinal erkannte einen stellvertretenden Staatsanwalt und nickte einem Richter beim Provinzialgericht zu. Polizeichef Kendall versank im Plüsch eines Séparées, das Cardinal noch nie gesehen hatte.
    »Der Windigo-Mann höchstpersönlich«, sagte Kendall, als Cardinal eintrat. Der Polizeichef hatte ein hochrotes Gesicht, was weder mit seinen Trinkgewohnheiten noch mit Schamesröte zu erklären war, sondern nur mit zu hohem Blutdruck. »Kennen Sie Paul Laroche? Von Laroche-Immobilien?«
    »Natürlich. Ich meine, ich weiß, wer Sie sind«, sagte Cardinal und schüttelte dem Mann, der aufstand, um ihn zu begrüßen, die Hand. Laroche war nicht größer als Cardinal, doch erwirkte imposanter – enormer Brustkorb, breite Schultern – ein Mann, der sich wehren konnte. Sein Handschlag war fest, aber nicht übertrieben.
    »Hab ich Sie nicht schon mal draußen im Club gesehen?«, fragte Laroche.
    »Der Blue Heron Club«, erklärte R. J. »Er gehört Paul.«
    »Nicht allein«, sagte Laroche. »Spielen Sie Golf?«
    »Nichts für mich«, sagte Cardinal. »Mir fehlt die Geduld. Ich würde den Ball wahrscheinlich am liebsten gleich zum Loch rübertragen.«
    »Also kein Golf. Jagen Sie vielleicht? Oder fahren Sie Ski?«
    »Weder noch. Im Sommer fahre ich gern mit dem Boot raus. Ansonsten beschränkt sich meine sportliche Betätigung darauf, mir ab und zu ein Hockeyspiel im Fernsehen anzuschauen. Es sei denn, Sie lassen mir auch Tischlern als Sport durchgehen.«
    Laroche lächelte. Sein dunkles Haar hatte die ersten grauen Strähnen, doch er trug es kurz und glatt zurückgekämmt, so dass es sein gut geschnittenes Gesicht zur Geltung brachte. Er trug einen Nadelstreifenanzug, der viermal so viel gekostet haben musste, wie Cardinal je für einen Anzug ausgegeben hatte. Er sah aus wie ein Investmentbanker.
    »Sie sagten, Sie seien ungeduldig. Ich hätte eigentlich gedacht, dass Ihr Beruf eine Menge Geduld erfordert«, sagte er und setzte sich wieder.
    »Detective Cardinal ist übrigens einer unserer Stars«, sagte R. J. »Erinnern Sie sich an den Fall Windigo?«
    »Tatsächlich? Das muss schon eine tolle Sache gewesen sein, gleich zwei Serienmörder bei einem einzigen Fall hochzunehmen. Beeindruckender Erfolg, den Sie da verbuchen konnten. Und wahrscheinlich haben Sie einigen Leuten das Leben gerettet.«
    »Ich war nicht alleine. Lise Delorme war eigentlich diejenige, die …«
    Laroche hob die Hand. »Lise Delorme«, sagte er. »Kommt mir irgendwie bekannt vor …«
    »Na ja, sie war in Verbindung mit der Windigo-Sache ziemlich oft in der Zeitung. Sie …«
    »Nein«, sagte Laroche. »Sie ist diejenige, über die Bürgermeister Wells gestolpert ist.«
    »Ja, das stimmt, und sie hat der Stadt damals einen wirklichen Dienst erwiesen.«
    »Ach, glauben Sie?«
    »Entschuldigen Sie, meine Herren«, sagte R. J. »Ich will nicht unhöflich sein, aber ich glaube, wir sollten erst mal was bestellen. Was können Sie empfehlen, Paul?«
    »Mit dem Rehbraten in Ahornglasur können Sie eigentlich nichts verkehrt machen. Aber lassen Sie mich den Wein aussuchen.«
    Im großen Ganzen gelang es dem Trianon, europäische Eleganz nachzuäffen, doch wo es wirklich haperte, war die Bedienung. Statt alter Profis sorgten so charmante wie inkompetente junge Frauen für das Wohl der Gäste. Laroche war höflich, aber bestimmt gegenüber dem jungen Ding mit den X-Beinen und den Sommersprossen, das für ihren Tisch zuständig war.
    Immobilien waren offenbar ein einträgliches Geschäft. Laroches ganze Erscheinung strotzte vor Geld wie die eines Athleten vor Kraft. Es sprach aus seinen goldenen Manschettenknöpfen, die auf den schneeweißen, perfekt sitzenden Doppelmanschetten funkelten, wie aus der genau richtigen Sonnenbräune seines Gesichts – wahrscheinlich fährt er Ski, vermutete Cardinal.
    Nachdem sie bestellt hatten, sagte Kendall:

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