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Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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– deuten in dieselbe Richtung. Die Kleider würde ich allerdings nicht zu hoch bewerten, da die Hautverfärbungen nahe legen, dass sie woanders getötet wurde. Das Entfernen der Kleidung erscheint mir daher nachgestellt. Kein Sperma am oder im Körper, keine vaginalen oder analen Fissuren. Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass diese Frau nicht vergewaltigt wurde.«
    »Sind Sie sich da sicher?«
    »Kann den Gegenbeweis nicht antreten, Detective. Es ist nur mein Gefühl.«
    »Aber jemand wollte, dass es wie Vergewaltigung aussieht?«
    »Scheint so, ja.«
    »Was ist mit dem Zeitpunkt des Todeseintritts?«
    »Mageninhalt: zwei Schokoladenkekse, nicht viel mehr.«
    »Nun, wir wissen, dass sie diese Kekse Montagabend um 23.30 Uhr gegessen hat. Sie hat mit einer Freundin telefoniert.«
    »Also, danach zu urteilen, wie weit sie in ihrem Verdauungstrakt gelangt sind, würde ich sagen, sie ist ungefähr eine Stunde nach diesem Telefongespräch getötet worden. Sonst nichts von Interesse, fürchte ich. Ich faxe Ihnen meinen vollständigen Bericht zu.«
    »Herzlichen Dank, Doktor, dass Sie das übernommen haben. Ich weiß, dass Sie nicht in der Stadt sind, um Autopsien durchzuführen.«
    »Hab ich gern gemacht.«
    Delorme speicherte den Todeszeitpunkt in ihrem mentalen Ordner unter »unbestrittene Fakten« ab und ging zur Snackbar hinunter. Neben dem Cola-Automaten hing ein schwarzes Brett, und Delorme blieb wie immer davor stehen, um es zu lesen. Außer den Verkaufsanzeigen steckte daran eine Liste von Zulassungsnummern – allesamt notiert an der Northtown Mini-Mall.
    Die Video-Arkade in der Mini-Mall hatte sich in der letzten Zeit zu einem Ärgernis in diesem Viertel entwickelt. Teenager hingen bis in die Puppen herum, rauchten Haschisch und hauten auf den Putz. Die Polizisten, die hier Streife gingen, waren angehalten, das Kennzeichen jedes Wagens aufzuschreiben, das nach elf Uhr abends in der Nähe des Ladens parkte. Es war als ein kostengünstiges, unspektakuläres Projekt gedacht, um den oder die Dealer loszuwerden, die den Kids das Gras besorgten. Die Liste mit den Autonummern prangte unter der süffisanten Überschrift: Die Meistgesuchten von Algonquin Bay!
    Das Weiterverfolgen dieser Kennzeichen war ein ganz und gar inoffizieller Einsatz – wenn man überhaupt von einem Einsatz sprechen konnte. Es war das, was der Polizeichef überzeugend eine »andauernde Bemühung« nannte, um ein geringfügiges Problem in den Griff zu bekommen. »Wir haben die Situation unter ständiger Kontrolle«, konnte R.J. sagen und dabei noch in den Spiegel sehen. Kurz gesagt, niemand nahm die Nummernschildliste sonderlich ernst; sie hing ebenso selbstverständlich am schwarzen Brett neben dem Cola-Automaten wie Kaufanzeigen für Heimtrainer oder Vermietungsanzeigen für Cottages. Dennoch warf jeder einen Blick darauf.
    Delorme steckte eine Ein-Dollar-Münze in den Getränke-Automaten und drückte den Knopf für Diät-Cola, nur um eine normale Cola zu ziehen. Sie stand da und nippte an der Dose, während sie sich ein Bild mit einer Hockeyausrüstung ansah – ein komplettes Kinder-Torwartoutfit für »nur« fünfhundert Dollar. Sie las eine Suchanzeige über ein neues Heim für sechs Tigerkatzenbabys sowie eine wegen eines »saubilligen« Laptops. Melde dich bei Nancy Newcombe , hatte ein Witzbold darunter geschrieben; Nancy Newcombe leitete die Asservatenkammer.
    Als Delorme gerade über die Kalorienzahl in der Cola nachdachte, fiel ihr Blick auf die Liste mit den Fahrzeugkennzeichen. Und da war es: PAL 474, leicht zu merken. Delorme schlug die Seite in ihrem Notizbuch auf, um die Nummer zu überprüfen. Doch nicht wegen der Nummer als solcher pochte ihr das Blut in den Adern, sondern wegen des Zeitpunkts, zu dem der Streifenpolizist sie notiert hatte: Montag, 23.00 Uhr.
     
    Ein gesetzestreuer Bürger kann in fünfunddreißig Minuten von Algonquin Bay nach Mattawa fahren. Delorme schaffte es in weniger als zwanzig. Das Simmons-Cottage prangte am Ende der Einfahrt in mauvefarbenem viktorianischem Glanz. Die Lebkuchenverkleidung hatte der gefrorene Regen jetzt mit einem kristallklaren Zuckerguss überzogen. Craig Simmons’ Jeep war noch da. In Delormes Kopf leuchteten die Kennzeichen wie eine Neonschrift in grellroten Buchstaben: schuldig.
    Delorme klingelte an der Haustür, aber es machte niemand auf. Sie entdeckte Simmons hinter dem Bootshaus, wo er ein kompliziert aussehendes Schloss an die Tür montierte. Der Mattawa River, in

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