Blutiges Eis
er war so … gestrandet. Aber er hat sich zusammengerissen und sich dieses Häuschen besorgt, undda war er nun, mit einundsiebzig zum ersten Mal allein, seit ungefähr fünfundvierzig Jahren. Er redet zwar nicht drüber, aber er ist wirklich stolz darauf. Sein eigener Herr zu sein, unabhängig zu sein, das bedeutet ihm alles.«
»Ich weiß, Liebling. Ich sag ja nur, wenn er jemanden in seiner Nähe braucht, können wir ihn zu uns nehmen.«
Cardinal nickte. Er konnte Catherine kaum in die Augen sehen – ausgerechnet sie, die so viel gelitten hatte, bot ihre Hilfe an.
Sie erkundigte sich nach seiner Arbeit.
Er gab ihr eine kurze Zusammenfassung von seinem Aufenthalt in New York.
»Hattest du Gelegenheit, Kelly anzurufen?«
»Dafür war keine Zeit«, sagte Cardinal. »Ich musste so schnell wie möglich zurück. Das Problem bei diesem Fall ist, dass das Glück die ganze Zeit gegen uns ist – und auf der Seite dessen, hinter dem wir her sind. Ich trete einfach auf der Stelle.«
Cardinal ging mit Catherine ins Haus, doch nur lange genug, um zu sehen, ob alles in Ordnung war. Möglichst unauffällig überprüfte er, ob sich irgendjemand an Türen und Fenstern zu schaffen gemacht hatte. Offensichtlich nicht.
»Es ist zehn Uhr, und du hast immer noch deinen Mantel an«, sagte Catherine. »Du willst doch hoffentlich nicht um diese Zeit noch mal ins Präsidium.«
»Leider doch. Bin sicher bald wieder zurück.«
Cardinals nächste Station war das Hilltop Motel, ein lang gestreckter, roter Backsteinbau, der, wie der Name sagt, auf dem Algonquin liegt. Er parkte in einer unauffälligen Ecke. Es standen nur drei Autos auf dem Parkplatz, und der Asphalt glänzte von schwarzem Eis. Cardinal hatte bereits nachgefragt, ob Squier noch gemeldet war, doch das Fach vor der Nummer elf war leer.
Während er wartete, hörte er die Nachrichten. Der Provinzwahlkampf kam in Gang. Premier Mantis hatte angekündigt, dass er tatsächlich noch einmal kandidieren wolle: Es sei das Gebot der Stunde durchzuhalten, statt das Boot ins Wanken zu bringen. Sein Gegner von den Liberalen wollte an Klischees nicht zurückstehen und stellte daher fest, es sei an der Zeit, ein neues Kapitel im Buch der Geschichte Ontarios aufzuschlagen.
Ein paar Minuten später bog Calvin Squier in den Parkplatz ein.
Cardinal sprang aus dem Wagen und rief quer über den Platz: »Hey, Squier!«
Squier drehte sich, den Schlüssel in der Hand, vor dem Eingang von Nummer elf um. »Ach Sie, John. Wie geht’s denn so?«
»Gut. Viel unterwegs.«
Cardinal hielt ihm eine Hand zum Gruß entgegen. Als Squier sie ergriff, ließ Cardinal die Handschelle zuschnappen. Auf dem glitschigen Pflaster war es richtig schön: Cardinal zog ihn nach unten und zur Seite, und Squier ging wie ein erlegter Elch zu Boden, während sein Handy über das Eis schlidderte. Cardinal hatte die andere Handschelle zu, bevor Squier auch nur Luft holen konnte.
»Hey, was soll das, John? Was tun Sie da?«
»Calvin Squier, Sie sind verhaftet wegen Behinderung polizeilicher Ermittlungen, Behinderung der Justiz, wegen groben Unfugs und noch einer ganzen Reihe von Vergehen, die mir auf dem Weg zum Staatsanwalt einfallen werden.«
»Oh, nein«, sagte Squier. »Das ist ja furchtbar.«
»Sind Sie sicher, dass Sie nicht gegen Ihre Festnahme Widerstand leisten wollen? Das würde meine Laune noch erheblich verbessern.«
»Kommen Sie schon, John, lassen Sie mich aufstehen.«
Cardinal behielt sein Knie auf Squiers Rücken, während erihm seine Rechte verlas und dabei jedes Wort deutlich artikulierte. »Verstehen Sie diese Rechte?«
»John, Sie bringen mich in ernste Schwierigkeiten. Das wollen Sie doch nicht, oder?«
»Sie scheinen irrigerweise anzunehmen, dass wir Freunde sind, Squier. Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einem Menschen begegnet zu sein, der mir noch unsympathischer war, und ich hab mit einer Menge unsympathischer Menschen zu tun.«
Squier kam ohne Hilfe der Hände nur mühsam auf die Beine. Cardinal stützte ihn und führte ihn anschließend über den Parkplatz zum Wagen.
»Das ist einfach kleinlich«, sagte Squier vom Rücksitz aus. »Sie wollen mir nur heimzahlen, dass ich Ihnen in der Nacht, als wir uns das erste Mal trafen, die Waffe abgenommen habe.«
»Reden Sie nur weiter, Squier. Macht mir einfach gute Laune, Ihre Stimme zu hören.«
»Ich glaube, wenn Sie einmal objektiv über das hier nachdenken, werden Sie zugeben müssen,
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