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Blutiges Schweigen

Blutiges Schweigen

Titel: Blutiges Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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keine Ahnung, wohin.«
    Ich betrachtete ihn. »Glauben Sie das im Ernst?«
    »Die Sonderkommission hat drei Tage hier verbracht und die gesamte Sippe vernommen«, erwiderte Healy. »Ehefrau, Mutter, Vater, Bruder, Schwester. Sie haben einen verängstigten Eindruck gemacht.«
    »Das muss nicht heißen, dass sie ahnungslos sind.«
    Während der ganzen Fahrt hatte Healy die Stelle gerieben, wo sich die Spritze in seine Haut gebohrt hatte. Obwohl er behauptete, sich gut zu fühlen, als wir Markhams Wohnung verließen, wollte ich kein Risiko eingehen und hatte mich erboten zu fahren. Der Laptop lag auf der Rückbank. Der Glasbehälter war wieder in der Metallhülle verstaut und befand sich zu Healys Füßen. Bis jetzt hatten wir den Inhalt nicht erörtert.
    Healy musterte mich und blickte dann wieder zum Lagerhaus hinüber.

    »Was ist?«, fragte ich.
    »Denken Sie, dass sie es ist?« Er beobachtete noch immer die Männer, die am Lagerhaus Kisten aus dem Laster luden. Als ich nicht antwortete, drehte er sich zu mir um. »Denken Sie, dass es Megan ist?«
    Ich schaute auf den Metallbehälter. »Ja, könnte sein.«
    »Und das andere …«
    »Wäre dann von ihrem Baby.«
    Wahrscheinlich hatte er schon Schlimmeres gesehen. Die düsteren Seiten des Menschen. Die Momente im Leben, in denen Mörder, Vergewaltiger und Kinderschänder die Finger in die Erde bohrten und ein kleines Stück Hölle zutage förderten. Ich kannte das auch. Ich war durch Blut gewatet und über Leichen gestiegen. Rückblicke auf Zeiten, in denen einem für den Bruchteil einer Sekunde klar wurde, dass es keine Menschlichkeit mehr gab und dass keine Regeln mehr galten. Uns beiden waren schon grausigere Dinge untergekommen als ein aus seiner Hülle geschnittenes Herz. Allerdings änderten sich die Dinge, wenn ein Kind im Spiel war. Und in diesem Fall war es vielleicht nicht einmal ein Kind, sondern ein ungeborenes Baby. Healy massierte weiter seine Brust.
    »Sind sie mit diesem Zeug konserviert?«
    Ich blickte ihn an. »Formalin? Ich glaube schon. Wahrscheinlich hat Drayton den Russen die Waffen besorgt, und die Chemikalien kamen in derselben Lieferung. Das Formalin ist die Währung, in der die Russen Dr. Glas bezahlt haben.«
    Als ich Healy erneut betrachtete, hatte er die Lippen zusammengepresst. An seinen Augen erkannte ich, was in ihm vorging. Leanne, das Formalin und die Frage, ob er es ertragen würde, sich den Rest auszumalen.
    Im Lagerhaus wurden die rückwärtigen Türen des Lastwagens geschlossen. Das Geräusch hallte über die Straße zu uns herüber: ein gewaltiges Scheppern. Wir drehten uns um und
beobachteten, wie der Fahrer vorn um den Laster herumging und im Büro verschwand. Zwei Minuten später kam er wieder heraus, stieg in den Laster und fuhr los. Dreißig Sekunden später war der Laster fort.
    Wir konnten sehen, dass im Lagerhaus Menschen waren. Die rückwärtige Wand bestand aus Milchglas, durch das das spärliche Tageslicht hineinschien und alle in Schattenrisse verwandelte. Ich zählte fünf Personen. Vielleicht waren es auch sechs. Sonst war nicht viel zu erkennen, nur dass der Raum riesengroß und leer zu sein schien.
    »Ich hoffe, Sie wissen, was Sie hier tun«, sagte Healy und presste wieder die Hand auf seine Brust. »Vergessen Sie nicht, dass Sie auf Kaution draußen sind.«
    Im Rückspiegel bemerkte ich, dass ein blauer Nissan oben an der Straße erschien und auf uns zusteuerte. »Schon gut«, erwiderte ich und betrachtete das Auto. Vor dem Lagerhaus wurde es langsamer und rollte auf den Gehweg. Als Healy das Geräusch hörte, drehte er sich um.
    »Das ist er«, stellte er fest.
    »Draytons Sohn?«
    »Ja.«
    »Welche Informationen haben Sie über ihn?«
    Healy zuckte die Schultern. »Nur das, was ich gehört habe. Phillips sagte, der Junge könnte uns etwas verheimlichen. Aber Sie kennen ja Phillips.«
    Draytons Sohn stieg aus dem Auto. Einige Leute im Lagerhaus winkten ihm zu, bevor er im Büro verschwand.
    »Sind Sie bereit?«, fragte ich.
    Healy sah mich an. »Dann also los.«

48
    Das Büro war klein und schlicht möbliert. Links von uns befand sich eine Theke, die durch den Großteil des Raums verlief. Das Fenster dahinter bot einen Blick aufs Lagerhaus. Es herrschte ein heilloses Durcheinander: An die Wände waren Rechnungen und andere Papiere geheftet. Außerdem ein Kalender, Quittungen und sogar Familienfotos. Die drei abgewetzten Sessel passten nicht zusammen und bildeten mit einem runden Tisch den Wartebereich. Alles

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