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Blutiges Schweigen

Blutiges Schweigen

Titel: Blutiges Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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Kopf auf das die Scheibe hinunterlaufende Wasser. »Ein Grund, warum ich bei der Zeitung geblieben wäre, war die Möglichkeit, regelmäßig diesem Mistwetter zu entrinnen.«
    »Waren Sie viel im Ausland?«
    Ich biss noch einmal in mein Sandwich. Es schmeckte gut. »Ja, ziemlich oft. Meistens habe ich Derryn mitgenommen. Sie war Krankenschwester, hatte aber immer nur Zeitverträge, damit sie mich begleiten konnte, wenn ich nicht gerade in ein Kriegsgebiet musste. Anderthalb Jahre haben wir in den Staaten und ein Jahr in Südafrika verbracht. Aber meistens waren wir nur einen Monat hier und einen Monat dort. Sie hat sich einfach in den Flieger gesetzt und ist nachgekommen, damit ich nicht den Verstand verlor.«
    Schweigen entstand. Nach einigen Minuten legte sich das Nieseln wieder. Nur ein feiner Dunst hing in der Luft.
    »Was ist mit Ihnen?«
    »Was soll mit mir sein?«
    Ich blickte ihn an. Er pflückte gerade die Gewürzgurkenscheiben aus seinem Brötchen. Dann sah er mich schulterzuckend an. »Sie sind doch schon über mich informiert.«
    »Wirklich?«
    Er lächelte. »Ich traue Ihnen eben eine Menge zu. Da Sie über Leanne Bescheid wussten, wage ich mal die Vermutung, dass Sie auch meine jüngste Geschichte kennen.«
    Ich antwortete nicht.
    Er lächelte wieder. »Das verstehe ich als Ja.«
    »Sie können es verstehen, wie Sie wollen«, entgegnete ich und trank einen Schluck Kaffee. »Es ist Ihre Sache, ob Sie es mir erzählen wollen.«
    Wieder Schweigen.
    Während ich meinen Kaffeebecher leerte, spielte Healy
weiter an seinem Brötchen herum und starrte in seinen Becher.
    »Ich hatte da einen Fall«, begann er schließlich. Nachdem er die letzte Gurkenscheibe entfernt hatte, legte er die Brötchenhälfte wieder auf das Rindfleisch. »Zwei Mädchen wurden in New Cross getötet. Zwillinge. Acht Jahre alt. Ein Nachbar hat die Polizei gerufen, nachdem er eine Woche lang nebenan keinen Mucks gehört hat. Sie waren vergewaltigt und erwürgt worden. Die Mutter lag tot im Nebenzimmer. Mit einem Messer in der Brust. Der Vater war verschollen. Die Mädchen waren ihm nie begegnet. Nicht einmal die Mutter kannte seinen Nachnamen. Er hat zu ihrem Leben nur eine einzige Sache beigetragen  – und das war neun Monate vor ihrer Geburt.«
    Er hielt inne, kippte den Inhalt eines Zuckertütchens in seinen Kaffee und fing an zu rühren. »Der erste Verdächtige war der Dealer der Mutter. Die Mädchen kommen aus der Schule nach Hause, treffen ihre Mum und den Dealer in der Wohnung an. Die beiden Erwachsenen streiten. Der Dealer rastet aus, ersticht die Mutter und fällt über die Mädchen her. Oder er schlägt die Mutter zusammen und zwingt sie, anzuschauen, was er mit den Mädchen macht, während sie verblutet, damit sie ihre Schulden bezahlt. Laut Autopsiebericht ist sie vor den beiden Mädchen gestorben.« Schulterzuckend hielt er inne. »Ganz gleich, wie genau es gelaufen ist, mich kotzen beide Möglichkeiten an.«
    Er aß einen Bissen von seinem Brötchen, wischte sich den Mund ab und zuckte wieder die Schultern. »Also nehmen wir den Dealer, dieses miese Stück Scheiße, fest. Er ist vermutlich für die Hälfte allen Elends in New Cross verantwortlich, aber der Mörder ist er nicht. Also stehen wir wieder ganz am Anfang. Die kriminaltechnische Untersuchung ergibt nichts. Bei den sichergestellten Fasern und Fingerabdrücken gab es null
Übereinstimmungen. Wir hören uns um, aber niemand weiß was oder hat was gesehen. Eine Woche vergeht, dann zwei, dann drei. Wenn die Ermittlungen in einem Mordfall drei Wochen dauern, wird man allmählich ein bisschen nervös. Die ersten Zweifel melden sich. ›Habe ich etwas verpasst?‹, fragt man sich. ›Warum finde ich den entscheidenden Hinweis nicht?‹ Und danach bewegt man sich im Kreis. Zurück zum Tatort. Zurück an den Computer. Zurück in die Kriminaltechnik. Und plötzlich ist ein Monat vorbei, und man kann nur noch daran denken, dass da draußen ein Mensch frei herumläuft, der zwei unschuldige Mädchen auf dem Gewissen hat.«
    Healy verstummte wieder. »Niemand begreift, dass man den Menschen, vor deren Leichen man an einem Tatort steht, etwas schuldig ist. Vor allem, wenn sie acht Jahre alt sind … Acht Jahre , und in dieser ganzen beschissenen Stadt fehlt jede Spur von dem Arschloch, das ihnen so etwas angetan hat. Das kapiert einfach keiner, was sogar für einige Kollegen gilt. Und wenn die es schon nicht kapieren, wie soll es dann die eigene Familie tun?«
    Ich nickte,

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