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Blutiges Schweigen

Blutiges Schweigen

Titel: Blutiges Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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musterte mich. »Denken Sie, der
rückt mit der Sprache raus, wenn wir ihn freundlich darum bitten? Haben Sie etwa diesen Eindruck?«
    »Er ist noch ein Kind, verdammt.«
    »Na und?«
    »Schauen Sie sich doch nur an.«
    Er hielt inne und betrachtete sein durchgeschwitztes und mit Draytons Blut bespritztes Baumwollhemd. Als er den Kopf hob, war seine Miene ausdruckslos. Kurz hatte ich das Gefühl, dass er sich beruhigt hatte. Aber dann drehte er sich wieder zu Drayton um. »Es ist mir egal, ob er ein Kind ist«, erwiderte er leise, und mir wurde klar, dass er nur aufhören würde, wenn ich ihm in den Arm fiel.
    Als Healy sich wieder an Draytons Gürtel zu schaffen machte, rutschte der auf seinem Stuhl herum. Seine Augen waren glasig vor Angst, und er atmete keuchend durch die Nase. Er stieß einen schrecklichen, lang gezogenen Schrei aus, der durch den Knebel noch grausiger klang und an ein gequältes Tier erinnerte. Nach einem Blick auf mich zog Healy Drayton die Boxershorts herunter, steckte die Hand unter sein Hemd und griff nach seinem Penis. Nun schrie Drayton noch länger und lauter. Seine Augen waren geweitet wie Untertassen und voller Furcht. Tränen funkelten darin. Als Healy bemerkte, dass er die gewünschte Reaktion erzielt hatte, ließ er los, riss Drayton den Knebel ab und beugte sich wieder vor.
    »Raus mit der Sprache«, sagte er.
    »Okay, okay«, keuchte Drayton. »Okay.«
    »Raus mit der Sprache«, wiederholte Healy.
    »Ein Mann«, erwiderte Drayton und schaute zwischen uns hin und her.
    »Was für ein Mann?«
    »Seinen Namen hat er mir nicht genannt.«
    »Was hat er dann gesagt?«

    Drayton blickte nach links. Eine kaum merkliche Bewegung, die Healy nicht aufzufallen schien. Er brodelte förmlich, angetrieben von Adrenalin. Doch ich nahm es schon beim ersten Mal wahr. Ebenso einige Sekunden später beim zweiten Mal. Eine Bewegung der Augen über die Schulter in Richtung des Lagerhauses unter uns.
    »Was hat er gesagt?«
    »Dass ich die Karte an einem sicheren Ort aufbewahren, sie niemandem zeigen und auch nicht versuchen soll, sie zu vervielfältigen, zu fotokopieren oder abzuzeichnen. Ich sollte sie einfach nur gut wegschließen.«
    »Warum?«
    Drayton zögerte.
    »Warum?«
    »Er ist …«
    Wieder die Augenbewegung. Sie dauerte nur einen Sekundenbruchteil.
    »Er ist was?«, hakte Healy nach.
    »Er ist ein Stammkunde.«
    »Ein Stammkunde, dessen Namen Sie nicht kennen.« Healy schnaubte abfällig. Wieder beugte er sich vor und stützte die Hände auf die Armlehnen. »Du hast zwei Sekunden. Dann schneide ich dir wirklich die Eier ab.«
    Drayton zog die Nase hoch und wiegte den Kopf leicht hin und her, als überlege er, wie er am besten vorgehen solle. »Ich kenne seinen Namen wirklich nicht«, entgegnete er dann leise.
    Healy schüttelte den Kopf. »Falsche Antwort.«
    »Moment mal«, protestierte Drayton. »Moment …«
    Healy hob das Taschentuch vom Boden auf, stopfte es Drayton in den Mund und sicherte es wieder mit Isolierband. Drayton versuchte, trotz Knebel etwas zu rufen. Ich machte einen Schritt auf Healy zu und rückte ihm diesmal wirklich
auf die Pelle. Er musterte mich und wippte auf den Fersen. »Wollen Sie mich etwa daran hindern?«
    Ich schaute an ihm vorbei zur Hintertür hinaus, wo sintflutartiger Regen auf den Hof prasselte. Auch der Wind hatte aufgefrischt, peitschte über den Zaun und hob die Plastikplane von den Kartons.
    »Warten Sie hier«, wies ich ihn an. »Und tun Sie nichts.«
    »Wo wollen Sie hin?«
    »Warten Sie einfach.«
    Ich ging die Treppe hinunter und hinaus, dort zog ich die Kapuze meiner Jacke über den Kopf. Die Kartons, die ich bereits verschoben hatte, waren dunkel vom Regenwasser. Ich holte mein Taschenmesser heraus, bohrte die Klinge in den Deckel des nächstbesten Kartons, ritzte ein L hinein und hob ihn an. In dem Karton waren Woks, durch Styroporschichten voneinander getrennt. Ich schob den Karton beiseite und machte mich über den nächsten her. Porzellangeschirr. Der übernächste: Bratpfannen. Ich trat einen Schritt zurück und spähte unter die Plane zur Mitte des Stapels. Ein Windstoß, der von hinten kam, hob die Plane an. Genau im Zentrum und von allen Seiten eingekreist, stand ein hoher, schmaler Karton, der an der Ecke ein schwarzes Symbol aufwies.
    Ich schob noch mehr Kartons weg, arbeitete mich zur Mitte vor und versuchte, Platz zu schaffen, um den Karton hinauszuziehen. Als ich ihn erreicht hatte und ihn bewegen wollte, stellte ich fest, dass er

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