Blutiges Schweigen
entschlossen wie möglich in die Augen und zuckte die Schultern.
Healy versetzte ihm einen Faustschlag gegen die Schläfe. Der Aufprall klang dumpf, als träfe ein nasser Waschlappen eine Wand. Drayton gab kaum ein Geräusch von sich. Er fiel nur auf alle viere und kippte dann auf den Rücken. Er sah zu Healy auf. Blut tropfte aus seiner Nase.
»Healy.«
Er drehte sich zu mir um. »Was ist?«
Ich machte einen Schritt auf ihn zu. Beruhig dich . Er bemerkte meinen Gesichtsausdruck und warf einen Blick auf meine Füße, als sei ich ihm gerade zu sehr auf die Pelle gerückt. Dann zog er die Jacke aus und warf sie auf den nächstbesten Karton. »Wer hat Ihnen die Karte gegeben?«
Keine Antwort.
»Wer hat Ihnen die Scheißkarte gegeben?«
Drayton schaute zwischen uns hin und her, blieb aber stumm.
Healy atmete tief durch. »Sie sind ein verblödetes Stück Scheiße, wissen Sie das?«
»Drayton«, begann ich, um Healy zu bändigen, »es ist doch gar nicht so schwer. Sie verraten uns, von wem Sie die Karte haben, wir verschwinden, und Sie werden uns nie wieder begegnen.«
Er warf mir vom Boden aus einen Blick zu, der sagte, dass er schweigen musste und dass ich der Einzige war, der etwas unternehmen konnte. Dann wandte er sich wieder an Healy. Blut füllte die Ritzen zwischen seinen Zähnen, als er ihm in die Augen starrte.
Stille.
»Ich glaube, wir müssen mal Ihre Ohren ausputzen«, verkündete Healy. Er schaute sich im Lagerhaus um. Gegenüber
von uns führte eine Metalltreppe zu einer Aussichtsplattform, wo ein Schreibtisch und ein Stuhl standen. Von hier aus hatte man das ganze Lagerhaus im Auge. Healy betrachtete den Stuhl und dann die Rolle Isolierband, die neben uns auf einer Kiste lag.
Er bückte sich, zog Drayton hoch und schleppte ihn durchs Lagerhaus. Unterwegs nahm er noch das Isolierband mit. Dann schubste er Drayton die Treppe hinauf. Als Drayton mich ansah, stand ihm dieselbe Botschaft ins Gesicht geschrieben: Tun Sie etwas .
»Healy …«
Er blickte mich an. »Wenn es Ihnen nicht passt, setzen Sie sich ins Auto.«
Oben angekommen, stieß er Drayton über die Plattform und bugsierte ihn auf den Stuhl. Ich folgte.
»Haben Sie Lust auf Spielchen?«, fragte Healy und fing an, Klebeband abzuwickeln.
Mit einer Hand drückte er Drayton das Handgelenk auf die Armlehne, mit der anderen schlang er das Isolierband darum. Anschließend waren der andere Arm und beide Beine an der Reihe. Drayton schaute von mir zu Healy, der ein Taschentuch zutage förderte, es zusammenknüllte und es Drayton in den Mund stopfte. Danach riss er noch ein Stück Isolierband ab, um den Knebel zu sichern.
»Sie haben keine Kinder«, sagte Healy und beugte sich über Drayton, bis sich ihre Nasen fast berührten. »Schließlich sind Sie selbst fast noch ein Kind. Sie haben keine Ahnung, was man für einen Menschen empfindet, den man gezeugt hat. Wozu man bereit ist, um diesen Menschen zu beschützen. Und was man tut, um ihn zu rächen.« Er richtete sich auf und krempelte die Hemdsärmel hoch. »Aber Sie werden es gleich herausfinden.«
Blitzschnell holte er aus und rammte Drayton die Faust in
die Magengrube. Drayton krümmte sich. Die Luft blieb ihm weg. Die Arme waren weiter an die Lehnen gefesselt.
Allmählich lief die Sache aus dem Ruder. Ich trat vor. »Drayton, lassen Sie das Theater. Sagen Sie uns einfach, von wem Sie die Karte haben, dann ist es ausgestanden.«
Er beugte sich vor. Speichel und Blut tropften aus seinem Mund.
»Drayton« , wiederholte ich.
Nichts.
Healy grinste Drayton an. »Sie sind ein gottverdammter Idiot, wissen Sie das?«
Inzwischen rührte er sich nicht einmal mehr. Nur Schweigen, Blut, Speichel und flache Atemzüge.
Healy drehte sich um und kramte in einer der Schreibtischschubladen. In der dritten von oben entdeckte er schließlich etwas. Einen Brieföffner. Lang und dünn. Mit Doppelklinge. Er griff danach und packte Drayton an den Haaren, sodass er den Kopf heben musste.
»Erinnern Sie sich, was ich vorhin gesagt habe?«, fragte er.
Drayton antwortete nicht.
»Dass Sie mit den Eiern im Mund aufwachen werden?«
Angst malte sich in Draytons Gesicht. Aus seinen Nasenlöchern strömte Luft. Er versuchte, sich auf dem Stuhl zu bewegen, und sah abwechselnd den Brieföffner und Healy an.
»Und jetzt werden Sie gleich merken, dass ich keine Witze mache.«
53
»Healy«, sagte ich, doch er achtete nicht auf mich und nestelte an Draytons Gürtel. »Healy.«
Diesmal hielt er inne und
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