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Blutiges Schweigen

Blutiges Schweigen

Titel: Blutiges Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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eine enge, heruntergekommene Reihenhaussiedlung, die offenbar nie bessere Zeiten gesehen hatte. Jedes Haus war von einer weißen Mauer umgeben, doch die Häuser selbst waren in einem Gemisch nicht zueinander passender Farben gestrichen, sodass sie wirkten wie ein verunglücktes Beispiel für moderne Kunst: verschiedene Rottöne, Beige, Pfirsichfarben und Grün, alles selbst im gedämpften Licht der Straßenlaternen und im peitschenden Regen deutlich auszumachen. In der Mitte der Häuserzeile stand Nummer neunundzwanzig, geschwärzt von Ruß und Asche. Drayton hatte die Zustände hier treffend beschrieben: Der betonierte Gartenweg bröckelte, die Tür war verzogen
und warf Blasen, Glasscherben lagen auf dem schütteren Rasen, und jemand hatte die Mauern mit der Sprühdose verziert. Die Bekanntmachung, in der die Stadtverwaltung vor Einsturzgefahr warnte, hing schief an der Tür.
    Healy stoppte ein Stück die Straße hinunter. Ich stieg aus, schlug den Jackenkragen hoch und betrachtete die Straße. Wenn Markham Drayton angewiesen hatte, den Karton einfach auf die Vortreppe zu stellen, war er offenbar sicher, dass er das Paket an sich nehmen konnte, bevor sich ein Passant dafür interessierte. Und das hieß, dass Markham alles beobachtete, wenn Drayton  – oder einer seiner Mitarbeiter  – die Lieferung brachte. Ich blickte zu den Häusern auf der anderen Straßenseite. Sie machten einen leblosen Eindruck. Die ganze Straße strahlte etwas Desolates und Düsteres aus. Kein Wunder, dass Markham sie sich ausgesucht hatte.
    »Was für eine Bruchbude«, meinte Healy, als er an mir vorbeiging, um das dunkle vordere Fenster des Hauses in Augenschein zu nehmen. Er hatte eine Taschenlampe aus dem Kofferraum des Autos in der Hand. Mit knirschenden Schritten marschierte er den Gartenweg entlang und spähte durch ein Loch in der Scheibe. Kurz darauf schaltete er die Lampe an und schaute hinein. Im Lichtkegel erkannte ich geschwärzte Wände, einen Kamin und hinten im Raum eine Terrassentür.
    »Wissen Sie, wie lange das Haus schon leer steht?« Er richtete die Taschenlampe auf die Bekanntmachung an der Tür und dann wieder ins Wohnzimmer. »Drei Jahre. Vermutlich hat die Hälfte aller Penner in London die Bude schon als Hotel benutzt.«
    Ich folgte Healy zu dem Haus auf der anderen Straßenseite, dessen Fenster sich ausgezeichnet als Beobachtungsposten eigneten, wenn man ein Auge auf die Lieferung haben wollte: hoch gelegen, gute Sicht, ausgezeichnetes Versteck. Wenn
er sich in einem der Häuser links oder rechts von Nummer neunundzwanzig verkrochen hätte, hätte er zwar noch besser gesehen, allerdings auch vorsichtiger sein müssen. Außerdem kam mir das sehr unwahrscheinlich vor: Rechts konnte ich durch die Stores ein altes Ehepaar vor dem Fernseher erkennen, links lag Kinderspielzeug auf dem Fensterbrett, und hinter den geschlossenen Vorhängen brannte Licht.
    Healy schaltete die Taschenlampe aus. »Am besten halten Sie die Luft an.«
    Die Stadtverwaltung hatte die Ränder der Tür mit einem einst fluoreszierenden Band abgeklebt, um Eindringlinge abzuschrecken. Healy riss einen Teil davon ab, machte einen Schritt rückwärts und trat die Tür ein. Sie erschauderte und schwang mit einem Ruck in die Dunkelheit.
    Der Flur war klein, eng und ebenso geschwärzt wie die Fassade. Während wir dastanden und hineinschauten, wehte hinter uns Regen ins Haus. Das Wasser rann die blasigen, verkohlten Wände hinunter und bildete Pfützen auf den herumliegenden Glasscherben am Eingang, die im Licht der Taschenlampe funkelten.
    Etwa einen Meter weiter schlug uns der Gestank entgegen. Es war ein übermächtiger Brandgeruch, vermischt mit Urin, Schweiß, Alkohol und Erbrochenem. Healy leuchtete ins Wohnzimmer. Zwei Männer lagen zugedeckt auf dem Boden. Der eine hatte uns das Gesicht zugewandt, der andere den Rücken. Der, der in unsere Richtung schaute, machte die Augen auf, während der andere sich nicht rührte. Er starrte uns an, schien uns aber nicht richtig wahrzunehmen. Dann rollten seine Pupillen zurück, und eine Sekunde später lag auch er wieder reglos da.
    Auf dem Fußboden unter den beiden waren ein paar Teppichreste zu erkennen, doch der Großteil der Dielenbretter war nackt. Hier und da klafften schwarze, vom Feuer hineingefressene
Löcher. Hinter den Männern am anderen Ende des Raums befand sich eine Treppe. Die Stufen waren geborsten, die Treppe selbst mit weiterem Absperrband gesichert. Neben der Treppe gab es einen

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