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Blutiges Schweigen

Blutiges Schweigen

Titel: Blutiges Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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schwer war. Mindestens zwanzig oder fünfundzwanzig Kilo. Ich stieß das Messer in die Seiten, bis ich Löcher für die Finger hatte, griff fest zu und hievte den Karton aus dem Stapel. Als ich ihn bewegte, konnte ich trotz des prasselnden Regens und des heulenden Windes hören, dass etwas darin hin und her schwappte. Eine Flüssigkeit.
    Im Lagerhaus schaute Healy mit finsterer Miene zu mir
hinunter. Ich bemerkte, dass Drayton versuchte, sich umzudrehen.
    »Was ist das?«
    Ich schleifte den Karton zum Fuß der Treppe, damit die beiden ihn sehen konnten. Dann stellte ich ihn aufrecht hin. Drayton starrte darauf. Etwas in ihm schien zu erschlaffen, als ob ein großes Geheimnis gerade vom Wind verweht worden wäre. Bis jetzt hatten seine Augen nur fast unmerklich gezuckt, allerdings genug, um mir zu verraten, dass er uns etwas verschwieg. Die Augen waren nicht nur die Fenster zur Seele. Sie waren der ultimative Lügendetektortest.
    »Was ist das?«, wiederholte Healy.
    Ich bohrte mein Messer in den Kartondeckel und schnitt ein Loch hinein. »Formalin«, verkündete ich und tippte mit dem Finger gegen das Symbol an der Außenseite. »Das ist die Nummer Achtzig auf Kyrillisch.« Sieht aus wie ein Pi. Es war mir bereits auf den Kartons im Hintergrund des Fotos aufgefallen, das ich in der Puppe gefunden hatte. Des Fotos, das jemand verwendet hatte, um mir ein Verbrechen anzuhängen. »Hier drin sind etwa achtzig Kanister von dem Zeug. Und ich gehe jede Wette ein, dass der Mensch, der die Karte für Drayton gezeichnet hat, gerade auf seine Lieferung wartet.«
    Drayton gab keinen Mucks von sich.
    Ich stieg wieder die Stufen hinauf.
    »Also«, sagte ich und nahm die Karte vom Schreibtisch. »Wo ist das?«
    Als er mich anblickte, erkannte ich, dass er genauso Dreck am Stecken hatte wie sein Vater  – und ebenfalls ein guter Lügner war. Nur mit dem Unterschied, dass er nicht so gut organisieren konnte und weniger Talent dafür hatte, seine Spuren zu verwischen. Er war schlampig geworden und hatte die importierten Waren in seiner eigenen Firma gelagert, anstatt sie anderswo hinzuschaffen. Offenbar hatte er gedacht, dass es
genügte, sie zwischen Haushaltswaren zu verstecken. Und vielleicht hätte es sogar geklappt, hätte ich nicht mit Spike gesprochen und von ihm erfahren, was das Symbol auf dem Foto bedeutete.
    Healy riss ihm den Knebel ab.
    »Er hat behauptet, Informationen über unsere Firma zu besitzen«, erklärte Drayton. »Und dann hat er gedroht, Beweise, die von uns importierte Waren betreffen, an die Polizei weiterzuleiten. Er wollte uns fertigmachen.«
    »Und wie heißt er?«
    »Das weiß ich nicht« , erwiderte Drayton mit erstickter Stimme. »Ich kann diese Firma nicht so führen wie mein Dad. Ich schaffe es nicht. Es kotzt mich an. Aber ich habe ihm versprochen, seine Erwartungen zu erfüllen. Ich habe ihm versprochen, für die Familie zu sorgen und ihn nicht zu enttäuschen. Und jetzt habe ich sogar das hier vermasselt.«
    Ich wies auf die Karte. »Wo ist das?«
    »Walthamstow. Pine Terrace Nummer neunundzwanzig.«
    »Und dort sollten Sie das Formalin abliefern?«
    Drayton nickte.
    »Wann?«
    »Morgen.«
    »Wie lauteten Ihre Instruktionen?«
    Drayton blickte zu Boden. »Stellen Sie den Karton auf die Vortreppe des Hauses.«
    »Mehr nicht?«
    »Mehr nicht«, bestätigte er. »Die Anweisungen waren immer dieselben. Seit Monaten importiere ich nun schon Sachen für ihn. Immer, wenn er herkommt, sagt er dasselbe: Lernen Sie den Straßennamen auswendig. Schreiben Sie ihn nicht auf. Fotokopieren Sie die Karte nicht. Bewahren Sie sie gut auf. Ein Wort zu irgendjemandem, und Ihre Firma ist Geschichte.«

    »Ist er da, wenn Sie das Paket abgeben?«
    Drayton schüttelte den Kopf. »Das Haus steht leer. Es hat dort ein Feuer gegeben. Die Hälfte ist mit Brettern verrammelt, aber man kann durch eines der zerbrochenen Fenster hineinschauen. Das Wohnzimmer ist total ausgebrannt. Kein Teppich. Keine Möbel. Der Garten ist ein Dschungel und der Vorgarten eine Müllhalde. Dosen, Einwickelpapiere und Hundescheiße überall.«
    »Haben Sie nach der Abgabe schon einmal eine Weile gewartet?«
    »Nein. Er will, dass wir liefern und sofort verschwinden.«
    Ich holte eines der Fotos, die ich aus den Personalakten des Jugendclubs gerissen hatte, aus der Jackentasche und hielt es ihm hin.
    »Ist das der Mann, der Ihnen die Aufträge gibt?«
    Drayton betrachtete das Foto. »Ja, das ist er.«
    Es war Daniel Markham.

54
    Pine Terrace war

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