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Blutiges Schweigen

Blutiges Schweigen

Titel: Blutiges Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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am Nasenrücken. Für das Lifting hatte er einen Schnitt am Haaransatz entlang und vorbei am Ohr und am Ohrläppchen nach hinten geführt. Die Absicht war gewesen, die Haut vom Gewebe zu trennen und sie zu straffen. Nur, dass Sonas vorzeitiges Erwachen diese Absicht vereitelt hatte. Wahrscheinlich wusste sie, wie viel Glück sie gehabt hatte. Ein Lifting war eine der schwierigsten Operationen
überhaupt. Man brauchte nur einen Nerv zu treffen, und die Patientin sah aus wie nach einem Schlaganfall, wenn sie das nächste Mal die Augen aufmachte.
    »Was passierte nach Ihrer Flucht?«, fragte Healy.
    Sie drehte sich wieder zu uns um. »Ich bin gerannt.«
    »Können Sie uns das Gebäude beschreiben, in dem er Sie eingesperrt hatte?«
    »Zu diesem Zeitpunkt war mein Gesicht …« Sie schüttelte den Kopf. »Es brannte wie Feuer. Und ich hatte große Angst. Ich glaube, solche Schmerzen habe ich noch nie im Leben gehabt. Einer der Ärzte im Krankenhaus hat mir erklärt, so ein Tiefenpeeling würde normalerweise unter Narkose durchgeführt. Aber ich bin dabei aufgewacht. Als ich endlich den Weg aus dem Gebäude gefunden hatte, fühlte mein Gesicht sich nicht mehr taub an. Ich habe alles gespürt und konnte kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen.«
    Sie blickte zwischen uns hin und her und hob in einer entschuldigenden Geste die Hand. »Ich erinnere mich nur noch daran, dass das Gebäude, in dem er mich eingesperrt hatte, wie eine Kanalisation aussah. Nur, dass es kein Wasser gab. Es war alles trocken und sauber. So, als hätte er es irgendwie umgebaut. Außerdem hatte er es in verschiedene Räume mit großen Trennscheiben aus Glas aufgeteilt.«
    »Räume?«
    »In einem davon saß ein Mädchen.«
    »Hatten Sie Gelegenheit, sie sich anzusehen?«, erkundigte sich Healy und rutschte über das Sofa zu ihr hinüber.
    »Nein.«
    »Lebte sie noch?«
    »Ja.«
    »Sind Sie sonst noch jemandem begegnet?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, sonst war da niemand.«
    Healy lehnte sich zurück. In seinem Verstand arbeitete es.
Ich schaltete mich ein, damit das Gespräch nicht erlahmte. »Also waren Sie unter der Erde?«
    »Ja. Ich bin durch eine Wartungsluke entkommen. Es war fast wie ein Kanal, der in der Küche eines alten Hauses endete. Die Wände waren verfallen und rissig. Überall Unordnung. Es gab zwar eine obere Etage, aber die hatte keinen Fußboden. Auch das Dach war kaputt, und die Wände waren voller Graffiti. Glasscherben lagen herum.«
    »Machte das Haus einen bewohnten Eindruck?«
    »Nein«, erwiderte sie, »auf gar keinen Fall. Es stand schon lange leer.«
    »Erinnern Sie sich sonst noch an etwas?«
    »Dort, wo eigentlich das Dach hätte sein sollen, waren Baumkronen. Sie waren durch das Dach ins Haus hineingewachsen. Doch sonst weiß ich nicht mehr viel. Tut mir leid. Ich bin einfach raus und losgerannt.«
    »Wohin?«
    »Zum Bach.«
    »Also stand das Haus am Ufer?«
    »Ja.«
    »Wie sah das Haus von außen aus?«
    »Beton. Das Dach und die Außenmauern waren von Bäumen, Ranken und anderen Pflanzen überwuchert.«
    »Und was war in der Umgebung?«
    »Nicht viel.« Sie schüttelte den Kopf, und ich bemerkte, dass Gefühle sie zu überwältigen drohten. Sie wischte sich mit dem Finger das Auge ab. »Ich bin einfach nur gerannt.«
    »Zum Bach?«
    »Ja. So schnell ich konnte.«
    »Erinnern Sie sich sonst noch an etwas an dem Bach?«
    »Er war schmal. Also, wirklich schmal. Eher eine Art Kanal. Vielleicht zwei Meter breit. Auf der anderen Seite stand eine Betonmauer. Hoch und ohne einen Pfad, der daran entlangführte.
« Wieder wischte sie sich das Auge ab. Doch nun brachen sich die Erinnerungen allmählich Bahn. »Auf meiner Seite gab es einen Pfad, ziemlich holperig und voller Löcher und Schlammpfützen. Aber ich habe bald nicht mehr viel mitgekriegt.«
    »Warum das?«
    »Er hat mich verfolgt.«
    »Er hat Sie verfolgt?«
    »Ja.«
    »Und Sie offenbar nicht erwischt.«
    »Nein.«
    »Weil Sie in den Bach gefallen sind?«
    Sie nickte. »Ich war barfuß. Und dieser Pfad … er war so uneben und gefährlich. Also war es praktisch vorprogrammiert, dass man sich entweder irgendwann den Knöchel brach oder ins Wasser fiel. Ich bin ins Wasser gefallen.« Sona beugte sich vor und schob mit den Fingern das Haar am Scheitel auseinander. Eine blutrote Linie schlängelte sich über ihren Schädel. Die Spuren der Fäden waren noch zu sehen. »Ich habe mir einen Schädelbruch geholt und war vermutlich kurz bewusstlos, bin aber dann

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