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Blutiges Schweigen

Blutiges Schweigen

Titel: Blutiges Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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In einer Viertelstunde würden wir nur noch eine Funzel haben und in zwanzig Minuten im Dunkeln sitzen.
    Ich sah Healy an. Alles in Ordnung? Er nickte, wirkte aber plötzlich gealtert und abgekämpft. Es musste an diesem Ort liegen. Bange Erwartungen an die Zukunft, Sackgassen und Verrat hatten seine Reise geprägt, und nun standen wir kurz vor deren Ende.
    »Healy?«, sagte ich leise.
    Eine kurze Pause, als versuche er, sich aus der niedergeschlagenen Stimmung zu reißen  – was ihm auch gelang. »Bestens«, erwiderte er, und wie um es zu beweisen, rutschte er zur Wartungsluke hinüber und fing an zu klettern. Ich legte den Finger an die Lippen. Langsam . Während er seinen Weg fortsetzte, hörte ich das leise Geräusch seiner Schuhe auf den Metallsprossen. Als er auf halber Höhe angekommen war, konnte ich mich des Gedankens nicht erwehren, dass womöglich eine bestimmte Absicht dahintersteckte: Jede Fläche, jede Bewegung, jede Aktion erzeugten ein Geräusch.

    Zehn Sekunden später war nur noch Healys Kopf zu sehen. Ich beugte mich hinunter und reichte ihm die Taschenlampe. Eine Faust reckte sich mir aus dem schwarzen Kreis entgegen und nahm sie entgegen. Dann machte ich mich selbst an den Abstieg. Unter mir hörte ich, wie er die letzten Sprossen überwand. Dann Stille. Offenbar war er unten angelangt. Ich hielt an und spähte in die Dunkelheit. Die Taschenlampe bewegte sich von links nach rechts und beleuchtete Wände, eine andere Tür und den Schrank, den ich vorhin bemerkt hatte.
    Ich folgte Healy. Insgesamt waren es achtunddreißig Sprossen, die sich alle nass anfühlten. Vielleicht war es ja der Tau von Healys Stiefeln. Oder auch Öl. Die Substanz schien zähflüssiger als Wasser zu sein, hinterließ aber keine farbigen Spuren auf meiner Haut. Sobald meine Füße den Boden berührten, wischte ich mir die Hände an der Hose ab und sah mich nach Healy um. Er stand rechts von mir. Die Taschenlampe auf Schulterhöhe haltend, leuchtete er damit durch eine große Glasscheibe in einer Tür in der Ecke. Er rüttelte daran, sie war abgeschlossen. Drinnen war es dunkel. Doch im Schein der Taschenlampe waren Arzneischränke aus Metall zu erkennen, die das Licht reflektierten, als Healy die Lampe in alle Richtungen schwenkte. In der Mitte des Raums hatte jemand ein Loch in den Boden gebohrt, so tief, dass wir nicht auf den Grund sehen konnten.
    Healy zog die Augenbrauen hoch. Hier hat er Sona eingesperrt.
    Plötzlich brach rings um uns ein Höllenlärm los.
    Wir hielten uns beide die Ohren zu, und Healy bewegte die Taschenlampe hin und her, bis er einen zweiten Lautsprecher hoch oben an der gegenüberliegenden Wand entdeckt hatte. Dann, so abrupt, wie es begonnen hatte, brach der Lärm wieder ab. Die Stille war wie eine Schockwelle, die durch den Raum ging.

    Healy nahm die Pistole aus der Jackentasche.
    Ich folgte dem Lichtkegel, der sich im Raum bewegte. Nun hatte Healy Taschenlampe und Waffe, während ich mit leeren Händen dastand und völlig auf ihn angewiesen war. Das gefiel mir gar nicht, doch noch weniger hätte es mir gefallen, das Healy gegenüber zuzugeben. Es war nicht so, dass ich ihm nicht zugetraut hätte, auf mich aufzupassen. Doch was seine Sorge um seine eigene Sicherheit anging, hatte ich meine Zweifel.
    »Was ist das hier?«, flüsterte er.
    Da es nicht Teil der Kanalisation war, musste es zu einem anderen Tunnelsystem gehören. Das Haus war lange vor dem Zweiten Weltkrieg gebaut worden, weshalb es sich auch nicht um einen Luftschutzbunker handeln konnte. Das hieß, dass wir es offenbar mit einer Hinterlassenschaft der Fabriken am östlichen Rand des Waldes zu tun hatten. Vermutlich war es eine Art Transporttunnel. Healy leuchtete noch einmal in Richtung Wartungsluke. Sie schien neu zu sein. So als hätte man sie angelegt, um den Raum, in dem wir standen, zugänglich zu machen. Allerdings war alles andere hier offenbar älteren Datums. Kurz fragte ich mich, wie Glas seine Ausrüstung hier heruntergeschafft und wie lange er dazu gebraucht hatte. Und dann dachte ich weiter über ihn nach. Daran, wie gewissenhaft und geduldig er war. Und daran, dass Zeitaufwand und Logistik letztlich keine Rolle spielten. Er hatte es geschafft  – schließlich hatte er das ja unter Beweis gestellt  – und würde jeden töten, der sich ihm in den Weg stellte.
    Healy ließ den Lichtkegel ein zweites Mal durch den Raum gleiten, bis dieser auf eine dicke, verstärkte Tür fiel. Sie war schwarz und verrostet, sah

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