Blutiges Schweigen
aus wie auf einem U-Boot und hatte ein Loch in der Mitte, wo früher das Rad gewesen war. Offenbar passte sie nicht in den Rahmen – oder der Rahmen war zu groß für sie. Unten und am rechten Rand klaffte eine
Lücke, durch die gedämpftes Licht hereinströmte. Aus dem Lautsprecher darüber drang ein stetes Rauschen.
Wir pirschten uns durch den Raum. Healy ging, Taschenlampe und Pistole ausgestreckt, ein Stück voraus. Sein Finger krümmte sich um den Abzug. Er wirkte wie ein Mann, der schon öfter eine Waffe benutzt hatte, und zwar nicht nur auf dem Schießstand. Dienstausweise der Polizei waren normalerweise mit einem Vermerk versehen, ob der Besitzer befugt war, eine Waffe zu tragen. Bei Healy fehlte dieser Vermerk. Also hatte er seine Fähigkeiten im Umgang mit Pistolen anscheinend nicht im Dienst erworben.
An der Tür angekommen, zog er an der Tür. Sie klemmte, erschauderte in ihrem Rahmen und schwang dann mit quietschenden Scharnieren auf uns zu. Auf der anderen Seite befand sich ein dämmrig erleuchteter Flur mit Glasscheiben auf der rechten Seite. Die Wände bestanden aus ordentlich gemauertem rotem Backstein, der Boden aus lackiertem Beton. Am Ende des Flurs hörte die künstliche Beleuchtung auf, sodass eine mehr oder weniger kreisförmige dunkle Fläche entstand. Über uns ragten Kabel aus einem anderen Lautsprecher, der ein statisches Knistern erzeugte. Es erfüllte die reglose Luft im Flur. Als wir durch die Luke traten, stellten wir fest, dass die Glasscheiben zu Fenstern gehörten.
Wie Sona es beschrieben hatte .
Es waren insgesamt drei, die den Blick in drei kleine Räume von etwa sieben Quadratmetern Größe boten. Alles war weiß gestrichen: die Backsteinwände, die Decke, der Betonboden und die Tür auf der anderen Seite. Der erste Raum enthielt einen kleinen leeren Tisch. Wir schlichen weiter. Der zweite Raum war völlig leer.
Vor uns ertönte ein Geräusch.
Healy leuchtete in die Dunkelheit am Ende des Flurs. Hinter vier unbeschrifteten Fässern machte er eine Rechtskurve.
Als wir uns dem dritten Fenster näherten, wurde das statische Knistern lauter. Healy richtete die Taschenlampe nach oben. Einen Meter über uns hing wieder ein Lautsprecher, der Geräusche von sich gab. Eine stete, lückenlose Lärmwand, als ob jemand im Fernsehen einen nicht belegten Kanal eingestellt hätte.
Schließlich erreichten wir das dritte Fenster.
In der Mitte des Raums stand ein Krankenhausbett. Es war mit einer weißen Matratze und weißer Bettwäsche versehen. Darauf lag, die Beine halb vom Laken verdeckt, eine Frau. Sie war kaum bei Bewusstsein, trug ein hellblaues Nachthemd und hatte sich seitlich zusammengerollt. Eine Hand ruhte auf ihrem Bauch. Nach einer Weile begannen ihre Finger sanft über ihren gewölbten Leib zu streichen. Die Frau war schwanger. Nach einer Weile veränderte sie ihre Körperhaltung, sodass ihr Gesicht in unsere Richtung zeigte.
Es war Megan Carver.
65
Vom Flur aus gab es keinen Zugang zu dem Raum. Außerdem handelte es sich bei der Scheibe um einen Einwegspiegel. Einen verstärkten. Als ich daraufklopfte, entstand fast kein Geräusch, nur ein dumpfes Pochen. Wir müssen die Polizei rufen. Wir brauchen einen Krankenwagen . Ich holte mein Telefon heraus. So tief unter der Erde hatte man keinen Empfang. Ich würde nur ein paar Minuten brauchen, um nach oben zu klettern und zu telefonieren. Aber zuerst musste ich zu Megan. Ich würde sie hier nicht allein lassen. Nicht, nachdem ich sie endlich gefunden hatte.
Wir hasteten in den dunklen Teil des Flurs. Die Taschenlampe in Healys Händen bewegte sich hin und her. Als ich ihn
ansah, bemerkte ich, dass seine Verzweiflung wuchs. Trotz der Kälte im Flur entstanden Schweißperlen an seinem Haaransatz. Seine Schultern waren verspannt, die Muskeln verhärtet. Die Fässer traten nun deutlicher aus der Dunkelheit hervor. Alle waren bis auf eine kyrillische Seriennummer am unteren Rand unbeschriftet. Healy tastete sie mit dem Lichtstrahl ab.
Und dann ging die Taschenlampe aus.
Er schlug sich damit auf die Handfläche, um die Batterien wieder zum Leben zu erwecken. Doch sie waren leer. Ich holte mein Telefon heraus und klappte es auf. Das blaue Licht des Displays kroch über Wände und Fußboden und gab uns etwa drei Meter Sichtweite. Ich wies mit dem Kopf auf seine Jacke und bat ihn, auch sein Telefon herauszuholen. »Einer von uns muss vorgehen«, flüsterte ich. »Wir müssen einen Abstand von zwei Metern halten, um einen
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