Blutiges Schweigen
schüttelte Liz die Hand. Mir nicht. Dann stellte er sich als Ian Bartholomew vor. Er war der oberste Chef hier. Zähneknirschend bedankte er sich für meine Mithilfe und schien nicht begeistert zu sein von der Vorstellung, Healy und mir unsere Eigenmächtigkeiten ungestraft durchgehen zu lassen. Es war nicht zu übersehen, dass Hart und Phillips ihre Überredungskunst einsetzen mussten, damit er dieser Strategie folgte. Er ließ sich im hinteren Teil des Raums nieder und nickte Phillips zu.
»Seit seiner Verhaftung hat er höchstens eine Minute geredet«, verkündete Phillips.
Die Tür öffnete sich, und ein uniformierter Polizist brachte ein Tablett mit Bechern aus einer Kaffeebar herein. Da man nun meine Hilfe brauchte, musste ich mich nicht mehr mit der Brühe aus dem Automaten begnügen. Ich nahm einen Becher, entfernte den Deckel und beobachtete Crane. Er rührte sich nicht.
»Spielen Sie es ab«, wies Phillips den Mann am Computer an.
Der Polizist klickte ein paar Optionen auf dem Bildschirm an, und kurz darauf erschien eine Videoaufnahme. Phillips und Hart im Vernehmungsraum mit Crane.
»Sie können nicht den ganzen Tag schweigen«, sagte Hart.
Crane starrte auf die Tischplatte. Dann sah er Hart an, hielt eine Weile Blickkontakt und beschäftigte sich wieder mit dem Tisch. In einer Ecke des Bildschirms lief die Zeit mit: 01:57:43. Eine Stunde, siebenundfünfzig Minuten – und er hatte noch kein Wort von sich gegeben.
»Sie können jederzeit einen Anwalt anrufen«, fügte Hart hinzu. »Das ist Ihr Recht.« Nichts. Keine Antwort. »Los, Aron – wo ist Jill White?«
Crane zog die Nase hoch.
»Warum erzählen Sie uns nicht ein bisschen von David Raker?«, schlug Phillips vor.
Ich drehte mich zu Phillips um. Er konnte mir nicht in die Augen schauen.
Auf dem Bildschirm hob Crane endlich den Kopf. »Warum sollte ich das tun?«
»Er interessiert Sie.«
»Ach, wirklich?«
»In Ihrem Versteck hingen Bilder von ihm an der Wand.«
Crane schürzte die Lippen, als sei ihm plötzlich klar geworden,
dass Phillips recht hatte. »Ich habe eine Idee«, sagte er schließlich. »Sie bringen Raker hierher, damit er allein mit mir spricht, und Sie kriegen Ihr Geständnis.«
»Sie wissen, dass das nicht geht, Aron«, entgegnete Phillips.
Crane zuckte die Schultern. »Dann rede ich eben nicht.«
»Und warum wollen Sie mit David Raker sprechen?«
Nichts.
»Aron?«
Keine Reaktion. Crane hatte wieder den Kopf gesenkt und starrte auf den Tisch. Kurz darauf stoppte das Bild. Die Aufzeichnung war zu Ende.
»Was will er von Ihnen?«, fragte Bartholomew.
»Keine Ahnung.« Ich warf einen Blick auf Crane. »Aber offenbar glaubt er, dass uns beide etwas verbindet. Eine Gemeinsamkeit.«
»Was, zum Beispiel?«, hakte Phillips nach.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß es wirklich nicht.«
»Dieses Vorgehen ist sehr unüblich«, stellte Bartholomew fest. »Das hier ist kein Zirkus.«
»Ich reiße mich nicht darum, mit ihm zu reden.«
Bartholomew und Phillips sahen einander an. Dann erhob sich der Superintendent und kam auf mich zu. »Mir gefällt das nicht, Mr Raker«, sagte er. »Ganz und gar nicht.«
»Da wären wir schon zu zweit.«
»Warum sind Sie für ihn so wichtig?«
»Ich weiß es nicht«, wiederholte ich, trank einen Schluck Kaffee und trat ganz dicht an die Glasscheibe heran. »Aber ich habe das Gefühl, dass ich es bald erfahren werde.«
71
Als ich eintrat, blickte Aron Crane auf. Hinter mir schloss ein uniformierter Polizist die Tür. Der Raum war warm und hatte keine Fenster. Keine Türen. Kein Tageslicht. Es hätte morgens oder nachts sein können. Crane verharrte absolut reglos. Beide Hände lagen flach auf dem Tisch. Seine Augen waren auf mich gerichtet. Ich setzte mich. Er warf rasch einen Blick auf den Einwegspiegel.
»Hallo, David«, sagte er leise.
Ich musterte sein Gesicht. »Was willst du von mir?«
Er betrachtete mich, ein leichtes Lächeln auf den Lippen, antwortete aber nicht.
»Wenn du nur schweigend herumsitzt, stehe ich jetzt auf und gehe wieder. Und eines schwöre ich dir: Ich komme nicht zurück.«
Er nickte. »Nachvollziehbar.«
»Wo ist Jill?«
»Warum beginnen wir nicht lieber ganz am Anfang?« Er fuhr mit der Zunge über einen Riss in der Unterlippe. Dann schob er mit der freien Hand seinen Ärmel hoch. An der Unterseite des Arms hatte er eine Narbe, die beinahe wie ein Brandmal aussah. »Isabelle Connors.«
Die erste Frau, die er getötet hatte.
»Was ist mit
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